Technik In naher Zukunft: Bezahlen mit Herzschlag

Wie war noch mal gleich die PIN? Für alle notorisch Vergesslichen gibt es Hoffnung: Das Einlesen unverwechselbarer biometrischer Eigenschaften wie Herzschlag oder Iris löst auf lange Sicht die Eingabe der Geheimzahl ab. Welche biometrischen Merkmale infrage kommen, wie es funktioniert und was schon erprobt wird.

Freitag, 04. September 2015 - Management
Heidrun Mittler
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»“Nur Bares ist Wahres“ ist einnetterSinnspruch, allerdings nur für die ewig Gestrigen. An der Realität geht er vorbei, Zahlungen per Geld- oder Kreditkarte sind seit Jahren auf dem Vormarsch. Schon planen die ersten Staaten, in Zukunft komplett ohne Bargeld auszukommen. Dänemark will ab 2016 keine neuen Geldnoten mehr drucken, kleine Geschäfte müssen dort bald keine Scheine und Münzen mehr annehmen.

In Deutschland wird kontrovers diskutiert, wie die Bürger bezahlen sollen. Peter Bofinger, einer der Wirtschaftsweisen, fordert die Abschaffung des Bargelds, unter anderem, weil man so einfacher die Märkte für Schwarzarbeit und Drogen austrocknen könne. Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, hält dagegen und bezeichnet Bargeld als „ein Stück Freiheit“.

Unabhängig von dieser Debatte verbessern Banken und Handel die technischen Möglichkeiten, ohne Cash zu bezahlen. Neben der Geld- und Kreditkarte steht derzeit das kontaktlose Bezahlen über die Nahfunktechnik NFC ganz oben auf der Agenda. So forcieren die Sparkassen „Girogo“ , damit können Beträge bis 20 Euro kontaktlos abgerechnet werden.

Mobile Geldbörsen entwickeln einige Mobilfunk-Netzbetreiber wie die Telekom, Vodafone und Telefónica, allerdings ist die Nutzung noch an bestimmte Betriebssysteme und definierte Apps gebunden. Mit einer einzigen Handbewegung zahlen – das versprechen auch die beiden großen Kreditkarten-Anbieter Visa und Mastercard, bei Beträgen über 25 Euro muss der Käufer zusätzlich eine PIN eingeben.

Wie aber kann man das Einkaufen für den Konsumenten noch einfacher machen? Eine Antwort: Indem man ihn von allem befreit, was er vergessen kann, sprich Geldbörse, Karten, und vor allem PINs und Kennwörter. Stattdessen soll er sich mit Dingen ausweisen, die man automatisch immer dabei hat: Augen, Herz, Hände und Finger (s. Kästen). Bezahlsysteme, die mit biometrischen (am Körper messbaren) Abdrücken funktionieren, werden in verschiedenen Tests weltweit erprobt. Ob der Kunde sie annimmt, hängt von mehreren unstrittigen Faktoren ab: Wie einfach ist die Messung? Wie lange dauert sie? Ist sie ungefährlich für den Körper? Hinzu kommen Beweggründe, die sich eher als Ängste beschreiben lassen: Will ich einem Händler Merkmale meines Körpers offenbaren? Kann jemand daraus weitere Informationen ablesen? Wie fälschungssicher ist die Methode? Oder kann sie leicht in falsche Hände gelangen und missbräuchlich verwendet werden? Psychologische Aspekte spielen eine gewichtige Rolle, ob eine technische Neuerung angenommen wird oder nicht.

Für den Handel stellen sich weitere Fragen: Welche Geräte muss man anschaffen und was kosten diese? Und nicht zuletzt: Fallen zusätzliche Gebühren an? 


Schau mir in die Augen!

■ Wer hat es entwickelt/getestet? Die britische Firma Irisguard (www. irisguard.com) gehört zu den Pionieren auf dem Gebiet des Irisscans.

■ So funktioniert es Jedes Auge ist einzigartig und dient somit der Identifikation seines Trägers. Der Kunde blickt nur einige Sekunden lang in eine spezielle Kamera. Die Kamera macht ein Foto, das digital umgerechnet und mit einer Datenbank abgeglichen wird.

■ Anwendung Der Irisscan wird bereits intensiv genutzt, an Flughäfen, zur Registrierung von Flüchtlingen und an Bankautomaten.

■ Vorteile für den Handel Das Verfahren ist unkompliziert, aber die Anschaffungskosten für einen Irisscanner sind hoch.

Hand drauf!

■ Wer hat es entwickelt/getestet? Ein Start-up aus Schweden, mit Namen Quixter (www.quixter.sc).

■ So funktioniert es Die Venen auf der Oberseite der Hand sind individuell und verändern sich nicht mehr, wenn der Mensch ausgewachsen ist. Ungefährliche Infrarotstrahlen durchleuchten die Hand und erkennen das Venenmuster.

■ Anwendung Nur fünf Sekunden, so Quixter, dauert ein Bezahlprozess. Im schwedischen Lund erproben über 30 Geschäfte das System. In Deutschland testet Fujitsu die Anwendung, derzeit im Cateringbereich.

■ Vorteile für den Handel Die Hemmschwelle für den Verbraucher, seine Hand auf ein Gerät zu legen, ist niedrig, die Akzeptanz des Verfahren hoch.


Rhythmus des Herzens

■ Wer hat es entwickelt/getestet? Nymi heißt ein Start-up-Unternehmen in Kanada, es hat ein Bezahlsystem über den Herzschlag entwickelt (nymi.com).

■ So funktioniert es Der Kunde kauft ein stylishes FitnessBand fürs Handgelenk, das seinen Herzschlag misst, zum Bezahlen hält der Konsument das Band an die Zahlstation.

■ Anwendung Laut Nymi funktioniert das System auch nach körperlicher Anstrengung, bei Herzerkrankungen und im Alter. Es wird bei kanadischen Banken und bei Starbucks getestet.

■ Vorteile für den Handel Fitnessbänder sind derzeit angesagte Accessoires für Technikfreunde. Dabei kauft der Kunde das Gerät, nicht der Händler.

Fingerabdruck

■ Wer hat es entwickelt/getestet? In der Kriminaltechnik seit über 100 Jahren eingesetzt. Tests zum Bezahlen seit 2005 bei Handelsunternehmen.

■ So funktioniert es Ein Scanner erfasst die Linie der Fingerkuppe und gleicht die Daten ab.

■ Anwendung Die neueren Iphones haben einen Fingerscanner integriert. Seit Herbst 2014 kann man bei Netto bundesweit mit seinem Handy und einer App bezahlen.

■ Vorteile für den Handel Viele Kunden haben ein ungutes Gefühl, wenn sie ihren Fingerabdruck auf einem fremden Gerät abgeben sollen. Die Überwindung ist viel geringer, wenn sie das eigene Handy nutzen können.