Bewusste Ernährung Alternativen, bitte!

Die Nachfrage nach vegetarischen und veganen Varianten von Schnitzel und Bratwurst und wächst. Discounter und Fleisch-Produzenten besetzen das Segment.

Freitag, 30. Januar 2015 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Alternativen, bitte!
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Der Gang ins Reformhaus ist längst nicht mehr nötig. Wer noch vor einigen Jahren Extrawege auf sich nehmen musste, um seinen vegetarischen oder veganen Speiseplan auch mal durch fleischfreie Schnitzel oder Würstchen pimpen zu können, freut sich heute über die wachsende Auswahl im Supermarkt. Ein Umsatzplus von rund 30 Prozent verzeichnet der Lebensmittelhandel seit 2008 jährlich allein mit vegetarischen Teilfertiggerichten. Nach Schätzungen des Vegetarierbundes Deutschland (Vebu) wurden mit dieser Produktgruppe bis Ende 2014 im klassischen LEH mehr als 100 Mio. Euro erzielt.

2015 dürfte die Umsatzmarke erneut deutlich nach oben verschoben werden. „Die Infrastruktur für vegetarisch und vegan lebende Verbraucher wird von Jahr zu Jahr besser“, beobachtet Vebu-Geschäftsführer Sebastian Zösch. So bietet die Edeka vegetarische Bolognese und Frikadellen unter eigener Marke im Kühlregal an, Globus und Kaiser’s Tengelmann lassen sich von Veganz beliefern, dem Spezialisten für vegane Vollsortimente.

Eine ganz neue Dynamik erhält der Markt zweifellos durch den Einstieg der Discounter. So etwa Aldi Süd. Seit Mitte 2014 bieten die Mülheimer 18 vegetarische bzw. vegane Produkte mit dem V-Label des Vebu an, vom Aufschnitt, über das Soja-Schnitzel bis zu Süßwaren. Weitere Produkte sollen in den Bereichen Tiefkühlkost, Backwaren, Fertiggerichte und Feinkost folgen. Noch weiter geht Norma. Der Discounter prüft das gesamte Sortiment auf die Verwendung des V-Labels hin. „Unser Ziel ist es, alle Eigenmarken, die die Kriterien des V-Labels erfüllen, entsprechend einheitlich zu kennzeichnen und unseren Kunden dadurch eine einfache Orientierung zu ermöglichen. Bei bestimmten Produkten werden wir zusätzlich die Rezepturen gezielt verändern, um eine vegane Auslobung zu ermöglichen“, erklärt Wolfgang Stütz, Mitglied der Norma-Geschäftsleitung sowie Leitung Zentraleinkauf Deutschland. Insgesamt sollen mehr als 500 Norma-Eigenmarkenartikel das Label nutzen.

Vor allem die Markenartikelindustrie widmet sich mit Hochdruck dem fleischfreien Segment. Dabei können die Entwickler offenbar gar nicht schnell genug arbeiten. „Der Lebensmittelhandel listet aktuell alles“, weiß Jan Bredack, Gründer und Geschäftsführer von Veganz, Großhändler und Betreiber veganer Supermärkte (s. Roun Table ab S. 34). Absätze und Listungen liegen deutlich über den Erwartungen, heißt es so auch unisono aus der Industrie. So musste etwa das Unternehmen Tofutown im vergangenen Jahr in zwei Werken bereits eine dritte Schicht einführen. Ein zweistelliger Millionenbetrag wird in den Ausbau der Kapazitäten investiert.

Auch traditionelle Fleisch- und Wurstproduzenten sind bereits in den Markt eingestiegen. So brachte die Rügenwalder Mühle gerade ihre ersten vegetarischen Aufschnitt-Produkte unter der klassischen Marke in die Regale des Handels. Keine Produktinnovation zuvor sei dem Unternehmen so aus der Hand gerissen worden, erklärt Godo Röben, Geschäftsleiter Marketing, Forschung und Entwicklung. Mindestens 30 Prozent des Unternehmensumsatzes will die Rügenwalder Mühle innerhalb der nächsten fünf Jahre mit fleischfreien Produkten erwirtschaften, so das erklärte Ziel. In den nächsten Monaten wird das Sortiment um eine Reihe neuer Produkte ergänzt. Den Anfang machen Frikadellen.

Die Zielgruppe der Vegetarier und Veganer hat sich auch die Halberstädter Würstchen- und Konservenfabrik vorgenommen. Unter der Marke Halvega gibt es nun die ersten Brotaufstriche und Suppen. Schnell soll das Angebot erweitert werden. Ohne Fleisch, ohne Soja und ohne Gluten sind Kriterien, die das österreichische Unternehmen Landhof verspricht, ebenfalls ein Wurst- und Schinkenspezialist. Bisher sind Aufschnittprodukte der Marke „Die Ohne“ bereits erfolgreich bei Rewe und Co. gelistet. Fleischfreie Grillspezialitäten und Leberkäse für die Bedientheke sollen den Absatz im Handel 2015 weiter ankurbeln.

Ob die traditionellen Fleischunternehmen auch vom Verbraucher akzeptiert werden, ist fraglich, meint Peter Mischer, Geschäftsführer Vegafit. „Wir bei Vegafit begrüßen den Schritt, stellen uns aber die Frage, warum?“ Viele Vegetarier entschieden sich ja gerade wegen der Massentierhaltung für Fleischalternativen. „Mit dem Kauf solcher Produkte würden sie die Tierfabriken unterstützen.“ Vegafit arbeitet gerade daran, sein komplettes vegetarisches Portfolio auf vegane Rezepturen umzustellen.