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Doch bis dahin gilt es, noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten. Nach seinen Erfahrungen stellen bei manchen Herstellern Einstellung und Haltung ein Hindernis dar. Er berichtet von einem großen Markenanbieter, bei dem Verpackungsingenieure einen „sehr gut funktionierenden Öffnungsmechanismus“ entwickelt hatten. Die Markenverantwortlichen haben es laut Meyer-Hentschel aber abgelehnt, diese Innovation deutlich auf der Packung zu kommunizieren, weil es inhaltlich und optisch nicht zum Markenkern passe. „Ein solches Verhalten sehen wir mittelfristig als Gefahr für Markenartikler, weil Handelsmarken diese Empfindlichkeiten nicht haben und mit sehr guten, praktischen Lösungen angreifen“, sagt der Saarbrücker Institutsleiter. „Damit werden sie auf Dauer Marktanteile gewinnen, weil die Gruppe der Kunden, die höfliche Verpackungen bevorzugen, kontinuierlich wächst.“
Markenhersteller könnten sich auch nicht auf die unerschütterliche Markentreue im Alter verlassen. Der Saarbrücker nennt das Beispiel einer Verpackung für eine Marken-Körperlotion, die sehr ansprechend und optisch eigenständig überarbeitet worden sei – funktional allerdings deutlich schlechter ausfiel. Zur gleichen Zeit habe eine im direkten Wettbewerb stehende Handelsmarke mit großem Erfolg die Funktionalität der Verschlusskappe optimiert: „Ein spannendes Rennen, das der demografische Wandel entscheiden wird“, ist Meyer-Hentschel überzeugt.
Doch immer nur zu schimpfen, bringt keinen weiter. Das Meyer-Hentschel-Institut bietet daher auch Beratungen für Hersteller auf Basis des Analyse-Tools „Packungs-Checkup“ an, das zusammen mit einem Handelsunternehmen entwickelt wurde. Dabei werden Verpackungen anhand von 61 Dimensionen geprüft. Auf dieser Grundlage ließen sich auch kostengünstige Optimierungen umsetzen. „Aktuell analysieren wir für ein Handelsunternehmen die wichtigsten Verpackungen seiner Eigenmarken, um eine mittelfristige ’Höflichkeitsstrategie’ zu entwickeln“, berichtet Meyer-Hentschel. „Ziel des Unternehmens ist, für alle Eigenmarken durchgehend höfliche Verpackungen anbieten zu können und damit den Druck auf die Markenartikler subtil zu erhöhen.“
Die Schweizer Migros hat im Juli eine Werbekampagne gestartet für die neuen, leicht zu öffnenden Schraubverschlüsse für ihre Extra Konfitüren. Entwickelt wurde der Metallschraubverschluss Orbit von Crown Closures Europe.
Schon im vergangenen Jahr startete die Coop Schweiz mit ihrem Projekt „Easy to open“ (leicht zu öffnen). Mit der Schulthess-Klinik Zürich und dem Fraunhofer-Institut AVV in Dresden wurden die Kunststoffverpackungen für Charcuterie-Produkte (Fleisch- und Wurstwaren) überarbeitet. Die Verpackungen der Eigenmarken haben nun eine praktische Griffmulde mit einer größeren, besser zu fassenden Aufreißlasche, die Siegelnaht entlang des Verschlusses lässt sich mit weniger Kraftaufwand zuverlässig öffnen. Weitere Produkte sollen folgen. Ganz schön höflich.
Fotos: Meyer-Hentschel-Institut, Migros, Coop Schweiz, Tetra Pak