Amazon Fresh Das Amazon-Experiment

Im Herbst soll Amazon auch in Deutschland mit seinem Lebensmittel-Lieferdienst starten. Die LEBENSMITTEL PRAXIS hat Amazon Fresh in den USA testen lassen.

Sonntag, 17. August 2014 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Das Amazon-Experiment
Bildquelle: Amazon

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Time is money – Zeit ist Geld. Das Zitat von Benjamin Franklin, einer der Gründungsväter der Vereinigten Staaten, ist heute mehr denn je Glaubensbekenntnis der US-amerikanischen Gesellschaft. Mit dem Angebot des schnellen und noch dazu bequemen Lebensmitteleinkaufs von daheim sollte Internetgigant Amazon daher auf dem Heimatmarkt offene Türen einrennen. Doch die Zeit-Geld-Frage erweist sich als wichtiger Knackpunkt bei der Akzeptanz des Services.

Seattle, Los Angeles, San Francisco. Seit 2007 (Seattle) bzw. 2013 können die Einwohner der US-Metropolen ihren Lebensmittel-Einkauf über Amazon Fresh erledigen. Im Angebot des Lieferdienstes sind neben Artikeln des Trockensortiments vor allem frische Lebensmittel, TK-Ware sowie Produkte regionaler Händler und Gastronomen. Auf das Ausrollen des Konzepts auf weitere Staaten oder Metropolen warten US-Bürger bisher vergeblich. Im Herbst will das Unternehmen stattdessen Medienberichten zufolge erst mal in Europa, u. a. in Deutschland, starten. Die Meldung sorgte in den vergangenen Monaten hierzulande für Aufruhr. Noch immer steckt der Online-Handel mit Lebensmitteln in Deutschland in den Kinderschuhen. Rewe und Anbieter wie Food.de haben sich bereits vorgewagt, als lukrativ kann das Geschäft jedoch bisher bei einem Marktanteil von weniger als 1 Prozent nicht bezeichnet werden. Eine der größten Herausforderungen und zugleich Voraussetzung für die Akzeptanz von E-Food-Angeboten ist die taggleiche Lieferung, die Amazon Fresh in seinen Testgebieten verspricht. Entsprechend wird mit Spannung erwartet, zu welchen Konditionen und mit welchen Service-Leistungen der Weltmarktführer im Versandhandel deutsche Verbraucher überzeugen will.

Die LP hat den Service in San Francisco und Orange County (Süd-Kalifornien) testen lassen und Branchen-Experten um ihre Einschätzung gebeten. Das Ergebnis: ein ambivalentes Bild.

So überzeugte der Dienst unsere Tester z. B. in den Punkten Auswahl, Lieferung und Produktqualität. Minuspunkte kassierte Amazon Fresh für das komplizierte Registrierungsverfahren und hohe Gebühren.

„Es gibt große Vorteile für Kunden, die wenig Zeit haben für den Einkauf“, erklärt der US-amerikanische Handelsexperte Michael Sansolo, ehemaliger Senior Vice President des Food Marketing Institute. „Der Convenience-Faktor ist enorm, und bisher scheint es einen Kundenkreis zu geben, der bereit ist, für den Service zu bezahlen. Natürlich ist die entscheidende Frage, wie groß diese Zielgruppe ist und ob ,home shopping’ die Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher für Lebensmittel grundsätzlich verändern wird.“ „Alles in allem reagieren die Amerikaner sehr verhalten auf das ,Lebensmittel online kaufen’-Angebot, und ich denke, dass die deutschen Verbraucher sich ähnlich verhalten werden“, meint Prof. Dr. Christine Kolass-Hundeshagen von der Houston Baptist University in Houston, Texas.

Doch wie läuft der Einkauf über Amazon Fresh in den USA ab, und wo liegen die Vor- und Nachteile? Die LP wollte Erfahrungen aus erster Hand und ließ „the average Joe“ (Otto Normalverbraucher) einkaufen.