Wanzl Interview „Retail Design ist ein wesentlicher Teil der Marken-Vermittlung“

Händler investieren mehr Geld als früher in die Einrichtung ihrer Märkte. Wanzl-Geschäftsführer Gottfried Wanzl spricht mit der LP darüber, welche Trends es im Ladenbau und bei der Einkaufswagengestaltung gibt.

Donnerstag, 06. Februar 2014 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild „Retail Design ist ein wesentlicher Teil der Marken-Vermittlung“
Einkaufswagen

»Herr Wanzl, Ihr Unternehmen ist seit vielen Jahren für den Lebensmittelhandel tätig. Was waren für Sie die drei wichtigsten Neuerungen in Ihrem Bereich?

Gottfried Wanzl: Hier möchte ich als erstes die Einkaufswagen-Rollen ansprechen. Wanzl hat die Rollen über die Jahre hinweg grundlegend weiterentwickelt und hebt sich bei Materialqualität und Laufleistung deutlich vom Wettbewerb ab. Auf dem Markt sind wir der einzige Einkaufswagenproduzent mit eigener Rollenfertigung, jährlich produzieren wir zirka 10 Mio. Stück.

Eine weitere wichtige Innovation war die Entwicklung des Münzpfandsystems in der Griffkappe der Einkaufswagen. Wanzl ist auch bei Münzpfandsystemen der erste und einzige Hersteller von Einkaufswagen mit eigener Forschungs- und Entwicklungsabteilung und Produktion.

Eine ganz wichtige Entwicklung in Richtung Zukunft ist unser verstärktes Ladenbau-Engagement mit hohem Anspruch an Architektur, Design, Ästhetik und Funktionalität. Die Neuschaffung des Bereichs Shop Solutions, einer der am schnellsten wachsenden Geschäftsfelder von Wanzl, war ein grundlegender Schritt für die intensivierte Zusammenarbeit mit dem Handel bei Ladenbauthemen. Wir bieten den Kunden alle Leistungen aus einer Hand – von der Konzeption über die Realisierung bis zur Montage der Ladeneinrichtung und zum After-Sales-Service.

Gab es auch Fehlentwicklungen?
Große Fehlentwicklungen in diesem Sinne gab es nicht. Manche Dinge benötigen ihre Zeit, bis der Markt sie akzeptiert. Ein Beispiel ist unser Kunststoff-Einkaufswagen Tango, der erst einige Jahre nach seiner Markteinführung von den Kunden voll angenommen wurde und heute aus der Retail-Landschaft nicht mehr wegzudenken ist.

Welche auffälligen Veränderungen gab es bei den eingesetzten Materialien?
Im Ladenbau liegen nach wie vor „echte“ Materialien wie Holz, Metall, Stein, Textilien und Glas hoch im Kurs. Die sich stets weiterentwickelnden technischen Produktions- und Verarbeitungsmöglichkeiten beeinflussen maßgeblich deren Gestaltung. Bereits seit einigen Jahren hält sich ein Trend, der sich mit „New Vintage“ beschreiben lässt und im Grunde eine Renaissance der in den frühen 1980er-Jahren in Großbritannien entstandenen „Shabby Chic“-Bewegung ist. Der Unterschied von heute zu damals ist, dass die hohe Nachfrage es notwendig macht, Gebrauchsspuren gezielt und künstlich zu erzeugen, da nicht genügend über drei Jahrzehnte alte Originalmodelle auf dem Markt erhältlich sind.

Wir stellen heute mehr denn je eine Gleichberechtigung verschiedener Gestaltungselemente bzw. -konzepte fest: „Cleanes“ Hochglanz-Weiß liegt ebenso im Trend wie die Pastellfarbwelt des „New Vintage“; aber auch ein kräftig-buntes Design in gekonnten neuen Farbkombinationen kann passen. Ausschlaggebend ist, dass Gestaltung und Konzept zur individuellen Marken-Botschaft, zur Persönlichkeit und zur Identität eines Ladens passen.

Gibt es derzeit besondere Nachfrage nach bestimmten Farben, Formen, Regalen, Theken etc.?
Retail Design ist ein wesentlicher Bestandteil der Marken-Vermittlung. Damit steigt der Wunsch nach Gestaltungslösungen, die höchste ästhetische Ansprüche erfüllen und gleichzeitig die Markenbotschaft authentisch transportieren. Die wachsende Vielfalt an gleichberechtigten Farb-, Material- und Produktkonzepten unterstützt diese Forderung der Kunden ganz individuell. Auch bei der Formensprache gilt: „Anything goes!“ Organische, runde Formen sind ebenso angesagt wie minimalistische, geradlinige Konzepte. Entscheidend ist immer, wie sich der Einsatz von Formen, Materialien und Farben, unterstützt durch Licht und Grafik als visuelles Symbol, für den Transport einer klaren Markenbotschaft eignet. Diese Komplexität führt zunehmend dazu, dass Wanzl als Retail-Partner mit seinen Kunden bereits in der Strategiephase mit am Tisch sitzt, um Geschäfts-, Marketing- und Einrichtungskonzept ganz fein justiert aufeinander einzuspielen und abzustimmen.

Bei Einkaufswagen stellen wir aktuell einen Trend zu neutralen, edel wirkenden Tönen wie Anthrazit, Grau oder Metallic fest. Die einheitliche Farbgebung zieht sich vom Wagenkorb bis zur Rolle durch.


Wer sich moderne Vollsortimenter anschaut, hat den Eindruck, dass der Aufwand beim Ladenbau größer geworden ist. Kann das immer weiter gesteigert werden?
Eines vorweg: Die steigenden Investitionen, z. B. in Technik für mehr Energieeffizienz, haben nichts mit Ladenbau-Aufwand im Sinne eines Trading-Up zu tun. Aber auch in den Ladenbau selbst wird heute mehr investiert als früher. Der Kunde soll sich beim Einkaufen wohlfühlen und gern wiederkommen. Wenn man die Entwicklung von Innenarchitektur und Ambiente im Supermarkt mit der in der Gastronomie und Hotellerie vergleicht, lässt sich schnell feststellen, dass vor allem der Lebensmittelhandel noch weiteres Potenzial hat. Denn den Wunsch nach Neuem, Besserem und Schönerem haben Kunden auch beim Einkaufen.

Wie richtet man seinen Laden am besten ein, wenn man mit neuen Geschäftsmodellen wie Online-Shops konkurrieren will?
Wer das richtige Geschäfts- und Einrichtungskonzept sucht, um mit einem stationären Laden im Zeitalter des Online-Einkaufs erfolgreich zu sein, muss sich ganz genau die Kunden ansehen. Ihre Kauf- und Konsumgewohnheiten, ihren Lebensstil, ihre Vorlieben beispielsweise für regionale Ware, frische Produkte oder gesundheitsorientierte Artikel. Ein erfolgreiches Ladenkonzept muss den Kunden Antworten liefern auf ihre Fragen. Unsere Planungen sprechen den Kunden emotional an, Flächen für Kaufimpulse sind gezielt platziert, das Einkaufserlebnis und die „Einkaufs-Convenience“ sind miteinander verbunden. Unterm Strich geht es eben mehr denn je darum, den stationären Raum zu nutzen für sinnliche Erlebnisse, die der virtuelle Erlebnisraum des Internets nicht bieten kann. Wichtig sind auch Ladenöffnungszeiten und ausreichend Parkplätze.

Insofern bin ich überzeugt, dass zukünftige Konzepte im Lebensmittelhandel noch besser den Spagat schaffen müssen zwischen dem Einkauf, den man schnell und aus der Notwendigkeit heraus erledigt, und dem (Genuss-)Einkauf, für den man sich gerne etwas mehr Zeit nimmt. Deshalb sind die neuen Geschäftsmodelle wie Online-Shops, Lieferservices oder Drive-in‘s auch eher eine Ergänzung zu den gängigen Handelsformaten als ein Ersatz.

Wo sind solchen Konzepte erfolgreich umgesetzt?
Ich denke, wir haben einige sehr schöne Beispiele sowohl für den Genusseinkauf als auch für den schnellen, impulsstarken Einkauf realisiert. Einige CBA-Märkte in der Budapester Innenstadt haben wir genau auf die Klientel in den jeweiligen City-Lagen zugeschnitten. Weitere Beispiele sind der Rost-Markt im Norden Sibiriens, La Nucia in Benidorm in Spanien oder Sharjah Coop in den Emiraten. Unter den „Click-and-Brick“-Konzepten ist Arcimbo von Auchan in Frankreich interessant, weil Drive-in-Kunden im Laden speziell jene Produkte finden, die sie nicht online ordern möchten.

Bei Einkaufswagen konnte man zuletzt den Eindruck gewinnen, die Designs werden immer „künstlerischer“. Müssen Einkaufswagen immer individueller auf den jeweiligen Kunden zugeschnitten werden?
„Künstlerisch“ ist in diesem Zusammenhang nicht der richtige Begriff. Einkaufswagen werden individueller und kundenbezogener, zum Beispiel bei Farbgebung oder Ausstattungsdetails. Der modulare Aufbau unseres Einkaufswagenprogramms ermöglicht es, kleine individuelle Losgrößen zu produzieren, aber auch große Liefermengen auszuliefern. Dabei haben wir ein Ziel: die Kundenwünsche stets bestens zu erfüllen.

Was präsentiert Wanzl auf der EuroShop?
Kontinuität mit neuen Ideen und Innovationen zu verbinden, ist eine der Stärken von Systemlieferant Wanzl. Weltweit kennen die Retailer Wanzl als zuverlässigen Partner mit hoher Investitionskraft, aktiver Dynamik und absolut kundenorientiertem Service. Der Messeauftritt 2014 spiegelt dieses Leistungsvermögen wider.

Was sind die wichtigsten Neuheiten für den Lebensmittelhandel?
Wir zeigen in einer sportlichen Arena mit Showcharakter das aktuelle Programm Retail Systems und Shop Solutions der Saison 2014. Das neue, modulare Backwaren-System BakeOff präsentiert sich als hochwertige Frische-Insel für den modernen Handel. In der Wanzl-Arena erleben Besucher weitere Neuheiten und Klassiker für die gesamte Retail-Branche – vom Discounter bis zum Premium-Markt. Die kreativen und innovativen Ladenbaulösungen von Wanzl sprechen alle Sinne an, und dies in einer Branchenvielfalt von Obst bis Outdoor. Außerdem stellen wir den Design Trolley, unsere neue Einkaufswagenstudie, mit einer komplett neuen und schnittigen Formensprache auf der EuroShop vor.

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dem in dritter Generation inhabergeführten
amilienunternehmen Wanzl vor.
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