Warenverkaufskunde Obstbrände

Obstbrand ist nicht so hip wie Gin. Doch das wird dem deutschen Klassiker unter den Spirituosen mit seiner Vielfalt nicht gerecht. Ihn als Grundlage für Cocktails abseits des Mainstreams einzusetzen, ist nur eine der vielen Möglichkeiten, den Brand neu zu entdecken.

Donnerstag, 08. Dezember 2016 - Warenkunden
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Obstbrände
Geist in der Flasche

Kirschen, Zwetschgen und Birnen – solche und ähnliche Obstsorten sind die goldenen Rohstoffe für eine typisch deutsche Spirituose: den Obstbrand.

Es gibt sie in vielen Teilen der Welt: hochprozentige Spirituosen aus Obst. Calvados beispielsweise stammt aus der Normandie und unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von den deutschen Apfelbränden, denn diese Spirituose entsteht durch das Destillieren aus gelagertem Apfelwein (Cidre). Die bekannteste Sorte in der Gruppe Tresterbrand (Brände aus den Rückständen der Weinproduktion) ist der italienische Grappa.

Obwohl Obstbrände also weltweit verbreitet sind, gilt doch: Wenn es so etwas wie eine typisch „deutsche Spirituose“ gibt, dann ist das der Obstbrand. Doch was genau zeichnet einen Obstbrand eigentlich aus? Unter diesem Oberbegriff werden Obstwässer und Obstgeiste zusammengefasst (zu dem Unterschied siehe Kasten auf Seite 61). Auch der Obstler zählt zu dieser Getränkeart. Die Wiege des Obstbrandes liegt im alemannischen Raum. Dort brachte das große Angebot an Kirschen, Zwetschgen und anderem Steinobst sowie von Äpfeln und Birnen aus der Rheinebene und von den Ausläufern des Schwarzwaldes die Obstbauern auf den Gedanken, diese Rohstoffe auch zu alkoholischen Getränken zu verarbeiten. Heute findet sich eine Vielzahl von Brennereien im südwestdeutschen Raum. Auch im Elsass und in Lothringen, in der Schweiz, in Österreich, Südtirol und Ungarn gibt es Obstbrennereien. Für die Bauern stellt dieser Wirtschaftszweig eine wichtige Einnahmequelle dar.

Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Obstbrände. Bei Kennern besonders beliebt sind sortenreine Apfelbrände. Die Früchte stammen meist von Streuobstwiesen. Prinzipiell kommen viele Apfelsorten für die Produktion in Frage, was der Kategorie ein breites aromatisches Spektrum verleiht.

Ein Klassiker ist das Kirschwasser. Eine Hochburg der Kirschwasser-Produktion liegt im badischen Teil des Schwarzwaldes. Nicht ganz so verbreitet ist der Mirabellenbrand. Dieser muss vor der Abfüllung mit Wasser verdünnt werden, da sonst der Alkoholgehalt zu hoch wäre. Noch verhältnismäßig unbekannt ist der Schlehenbrand. Die Nachfrage wächst aber. Ernte und Produktion sind aufwendig, der Preis ist dementsprechend hoch. Ähnliches gilt für die Rarität Zibärtle aus der Wildpflaume Zibarte.

Wie bei vielen anderen Spirituosenarten, ist auch die Zusammensetzung und Herstellung von Obstbrand in der EU mittlerweile genau definiert. So heißt es in der Spirituosenverordnung: „Obstbrand ist eine Spirituose, die ausschließlich durch alkoholische Gärung und Destillation einer frischen fleischigen Frucht oder des frischen Mosts dieser Frucht – mit oder ohne Steine – oder von Beeren oder Gemüse gewonnen wird.“ Außerdem darf die Spirituose nur zu weniger als 86 Prozent Volumenprozent destilliert werden, damit Aroma und Geschmack der Ausgangsstoffe bewahrt bleiben.

Wasser und Geist: der Unterschied

Den Unterschied zwischen Obstwasser und -geist kann man sich gut merken: Die Wässer werden aus Kern- und Steinobst gewonnen (etwa Zwetschgen oder Kirschen). Bei der Herstellung von Obstgeist dienen als Rohstoffe aromatische, zuckerarme Beeren wie Himbeere und Heidelbeere. Um das Aroma nicht durch Gärung und Destillation zu irritieren und trotzdem Alkohol zu erhalten, legt man die Früchte unvergoren in neutralem Alkohol ein und destilliert das sogenannte Mazerat anschließend.

Zu wichtigen Obstsorten bei der Herstellung zählen Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Kirschen. Aber auch Aprikosen, Maulbeeren und Quitten kommen bei einigen Varianten ins Maischefass. „Fränkischer Obstler“ ist eine geschützte Herkunftsangabe, genau wie das bekannte „Schwarzwälder Kirschwasser“. Bei geschützten Bränden müssen alle Rohstoffe aus der definierten Region stammen, sowie der erste Brennvorgang dort stattfinden.

Für die Qualität eines Obstbrandes sind im Wesentlichen die Auswahl der Früchte, die kontrollierte Vergärung, die Reinheit des Destillats und die Reifezeit verantwortlich. Ein Destillat braucht etwas Zeit (mindestens 1 Jahr), um sich vom Brennvorgang zu erholen und sein Aroma zu entfalten. Je nach Sorte können unterschiedliche Reifezeiten nötig sein. Auch die Ausstattung der Flasche ist für viele Verbraucher ein Kriterium. Destillate mit besonders hoher Qualität können sie häufig direkt beim Erzeuger erstehen. Viele Produzenten bieten zudem Sonderabfüllungen an mit Früchten aus besonderem Ausbau, ausgefallenen Obst- und Gemüsesorten oder spezielle Jahrgangsbrände.

Der Geist in der Flasche verlangt nach einer Sonderbehandlung, damit der Genießer lange Freude daran hat: So sollten Obstbrände stets stehend lagern. Andernfalls sind Geruchs- und Geschmacksveränderungen nicht ausgeschlossen. Ist eine Flasche einmal angebrochen, sollte sie dicht verschlossen werden, damit auch hier die Aromen möglichst gut erhalten bleiben. Ähnlich wie bei Wein, entfalten die klaren Brände ihr volles Aroma erst bei einer bestimmten Temperatur. Bei Obstwasser und -brand liegt diese zwischen 15 und 18 Grad C. Die empfohlene Trinktemperatur für Obstler liegt bei 8 bis 10 Grad C.

Für den Kenner wichtig ist auch die Wahl des Glases. Besonders geeignet ist ein Glas mit langem Stil und einem bauchigen, nach oben geöffneten Körper, der den Alkohol nicht zu sehr in den Vordergrund rückt.

Kontrovers diskutiert: Zuckern von Obstbrand

Laut EU-Spirituosenverordnung ist eine Zuckerung des fertigen Obstbrandes bis zu einem gewissen, je nach Herstellungsland unterschiedlichen Grenzwert zulässig. In Deutschland liegt dieser bei 10 g pro l Fertigware. Ausgenommen sind Obstbrände mit Herkunftsbezeichnung. Hier darf nichts hinzugegeben werden. Zucker rundet den Brand ab und überdeckt mögliche qualitative Schwächen. Zumeist sind Konsumenten über die geschmackliche Manipulation nicht ausreichend informiert.


Brennen: Hohe Kunst

Ehe der Obstbrand seinen Weg in die Flasche nimmt, durchläuft er eine Reihe komplexer Produktionsschritte. Sie alle haben maßgeblichen Einfluss auf die Qualität.

Wie reif ist die Frucht? Aus welchem Anbaugebiet stammt sie? Wie viel Neutralalkohol wird verwendet,und in welchen Fässern lagert das Destillat? All diese Faktoren bestimmen die Qualität des Obstbrandes. Wichtig ist vor allem, dass diese Spirituose hauptsächlich aus kleinen Betrieben stammt, in denen handwerkliches Geschick und Erfahrung im Vordergrund stehen. Das erklärt auch den höheren Preis im Verhältnis zu manchem Massenprodukt.

Reifen der Früchte
Am Anfang eines Obstbrandes steht die Heranreifung und Ernte vollreifer Früchte in hervorragenden Anbaugebieten. Für den Brand sollten ausschließlich frische Früchte mit kräftigem Aroma verwendet werden.

Qualitätskontrolle
Der nächste Schritt: Die Anlieferung, Qualitätskontrolle der Früchte und das Aussortieren der Früchte von Hand. Birnen werden bis zu ihrer vollkommenen Reife zwei bis drei Wochen in der Brennerei gelagert.

Einmaischen
Einmaischen und kontrollierte Gärung (Mazeration) bei zuckerarmen Früchten. Bei der Mazeration von Waldhimbeeren wird so wenig Neutralalkohol wie nötig hinzugegeben, damit das Aroma intensiv ausfällt.

Destillation
Die Destillation der Brände durch erfahrene Brennmeister. Bei den Brennereien handelt es sich in der Regel um Produktionsstätten, die von Menschen geprägtes Handwerk mit neuen technischen Vorteilen verbinden.

Lagern
Teils mehrjährige Lagerung und Reifung der Destillate in belüfteten Edelstahltanks, Steingutkrügen oder Eschenholzfässern. Das Destillat wird weicher und milder, und die Fruchtigkeit kann sich voll ausbilden.

Analyse
Spezialisten können mit speziellen Analysen, etwa sensorischen Tests und chemischen Untersuchungen, nachweisen, ob ein Produkt den rechtlichen Bestimmungen für einen echten Obstbrand entspricht.

Auf Trinkstärke setzen
Beim Herabsetzen auf Trinkstärke und dem verwendeten Wasser haben die Brenner die verschiedensten Philosophien. Voraussetzung ist auf jeden Fall ein härtefreies sowie absolut geschmacksneutrales Wasser.

Abfüllen
„Das Auge trinkt mit“: Für die Präsentation eines Obstbrandes verwenden einige Brennereien edel anmutende Flaschen und Etiketten. Auch Tonflaschen, ähnlich wie beim Bärwurz, sin beliebte Gefäße.

Das Herzstück

Der wichtigste Schritt bei der Produktion ist natürlich der eigentliche Brennvorgang. Dieser hat vor allem zwei Funktionen: den Alkohol und die spezifischen Aromastoffe von den anderen, festen oder flüchtigen Stoffen der Maische abzutrennen, und den Alkohol zu konzentrieren. Die Kunst des Brennens besteht laut Bundesverband der Obstverschlussbrenner darin, in der Brennerei das sogenannte „Herzstück“, den Mittellauf, vom Vor- und Nachlauf abzuscheiden. Vor- und Nachlauf enthalten z. B. die störenden Fuselöle, die nicht in das Endprodukt gelangen dürfen. Dagegen enthält der Mittellauf die typischen Aroma- und Geschmacksstoffe, die den besonderen und unverwechselbaren Charakter eines Obstbrandes ausmachen. Die große Kunst des Obst-Brennens besteht also darin, beim Brennvorgang genau zu erkennen, wo der Mittellauf beginnt und wo er endet.


Deutsche Tradition

Obstbrände verbindet der gemeine Konsument vielleicht nicht in erster Linie mit Cocktails. Dafür basieren zu viele der bekanntesten Klassiker auf Wodka, Rum oder Whisky. Allerdings werden Destillate aus Obst schon seit Längerem zum Mischen verwendet. Die Geschichte beginnt in den Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts, als sich deutsche Barkeeper und Barbesitzer auf den Weg nach Amerika machten.

Die Folge: Fruchtbrände, die in Kombination mit Rum, Gin, Weinbrand und Whisky als Longdrinks die Städte eroberten. Richtig interessant wurde es während des Goldenen Zeitalters der Cocktails (1920 bis 1950). Zu dieser Zeit erhielt insbesondere das Kirschwasser eine neue Rolle als Zutat für ausgefallene Drinks. Ein Beispiel ist der italienische Cocktail „Mille Misture” aus dem Jahr 1936, eine 50/50-Mischung aus Kirschwasser und Vermouth di Torino mit einem Spritzer Bitter. Aber auch in anderen Teilen der Welt wurden Obstdestillate für die Kreation neuer Cocktails genutzt: So erfanden Kubaner den „Black Jack”: eine Mischung aus kaltem Kaffee und Kirschwasser zu gleichen Teilen.

Wasser & Geist

Obstbrände sind eine deutsche Spezialität. Mit Wissen kann man hier beim Kunden punkten. Wichtig: die Unterscheidung von Original und Nachahmer.

Spirituosen aus Obst gibt es in der ganzen Welt. Und dennoch können Obstbrände als so etwas wie eine deutsche Spezialität gesehen werden. Besonders im südwestdeutschen Raum gibt es eine hohe Dichte an Obst-Brennereien. Am bekanntesten ist das Kirschwasser. Die Hochburg für solche Erzeugnisse liegt im badischen Teil des Schwarzwaldes.

Die gesetzlichen Bestimmungen für echte Obstbrände wie „Williamsbirnenbrand“, „Zwetschgenwasser“ oder „Kirschwasser“ sind eindeutig und vergleichsweise streng: Echte Brände erhalten demnach ihr Aroma und ihren Geschmack ausschließlich aus der Frucht, nach der sie benannt sind. Sie dürfen nicht aromatisiert sein, nicht verschnitten werden und müssen einen Mindestalkoholgehalt (37,5 Volumenprozent) aufweisen, dürfen also auch nicht verdünnt werden. Das Obstdestillat, das nach dem Brennen einen Alkoholgehalt zwischen 70 und 80 Volumenprozent hat, wird zunächst einige Zeit gelagert, was mehrere Monate oder auch einige Jahre dauern kann. Obstbrände, die in der Regel wasserklar sind, reifen in Behältern aus Stahl oder Steinzeug, ausnahmsweise auch im Holzfass.

Vor dem Abfüllen werden Obstdestillate mit möglichst weichem Wasser auf die gewünschte Trinkstärke, meistens zwischen 40 und 42 Volumenprozent, herabgesetzt. Laut EU-Spirituosenverordnung ist das Zuckern des fertigen Obstbrandes bis zu einem gewissen, je nach Herstellungsland unterschiedlichen, Grenzwert zulässig. Zu den „Originalen“ zählen Obstwasser und Obstbrand. Den Unterschied kann man sich gut merken, denn die Wässer werden aus Kern- und Steinobst gewonnen. Bei der Herstellung von Obstgeist dienen als Rohstoffe Beeren.

Ein genauer Blick auf das Etikett lohnt sich

Der Bundesverband der Obstverschlussbrenner klärt die Verbraucher auf, wie man einen echten Obstbrand von einem Schnaps, der die strengen Bestimmungen nicht erfüllt, unterscheiden kann. Das Wichtigste ist die Produktbezeichnung. Einen „echten“ Obstbrand erkennt man an den Endungen „-wasser“ oder „-brand“. Diese in Verbindung mit dem Namen der Frucht ist dieVerkehrsbezeichnung, z. B. Kirschwasser, Zwetschgenwasser. „Schnäpse“, müssen als „Spirituose“ bezeichnet werden. Taucht auf dem Etikett also die Angabe „Spirituose“ auf, handelt es sich nicht um einen echten Obstbrand.

Wissen checken

Wer aufmerksam gelesen hat, kann diese Fragen beantworten.

{tab=Fragen}

  1. Wie heißt ein bekannter Birnenbrand?
  2. Welchen Alkoholgehalt dürfen Obstbrände nicht überschreiten?
  3. Nenne zwei geschützte Obstbrände!

{tab=Antworten}

  1. Williams.
  2. Obstbrände dürfen nur bis zu weniger als 86 Prozent vol. destilliert werden.
  3. Schwarzwälder Kirschwasser und Fränkischer Obstler sind zwei Beispiele für eine geschützte Herkunft.

Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Wir danken der Alfred Schladerer Alte Schwarzwälder Hausbrennerei GmbH für die zur Verfügung gestellten Informationen und Fotos. Das Buch „Bar Obst“ können Interessierte auf der Seite www.schladerer.de kostenlos herunterladen.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen