Warenverkaufskunde Glutenfreie Produkte

Die Warengruppe der glutenfreien Produkte richtet sich an Menschen, die das Klebereiweiß Gluten nicht vertragen. Was Sie als Händler über die Zielgruppen, Produkte und deren Handling wissen müssen.

Donnerstag, 02. Juni 2016 - Warenkunden
Bettina Röttig
Artikelbild Glutenfreie Produkte
Bildquelle: Martin Hangen, Shutterstock, Dr. Schär, Christian Belz, Rezeptfotos: Christina Sundien
Nische mit Bedeutung

Kleines Sortiment mit großer Wirkung: Glutenfreie Produkte erleichtern Menschen mit einer Gluten-Unverträglichkeit den Alltag. Händler, die hier Kompetenz beweisen, gewinnen treue Kunden.

Klassische Brötchen , Kuchen, Nudeln, Bier. Menschen mit Zöliakie sind gezwungen, um diese und viele weitere Lebensmittel aus dem Standardsortiment eines Supermarktes einen großen Bogen zu machen. Wer unter der Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiß Gluten leidet, muss seine Ernährung grundlegend umstellen und ein Leben lang auf eine glutenhaltige Kost verzichten. Spezielle Produkte erleichtern jedoch den Alltag und sorgen für mehr Normalität.

Das Angebot an glutenfreien Produkten in Lebensmittel-Einzelhandel und Drogeriemärkten ist in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut worden. Sortiments- und Beratungskompetenz sind jedoch Voraussetzungen für den Erfolg mit der erklärungsbedürftigen Warengruppe. Die wichtigsten Informationen zu den Zielgruppen sowie zur Besonderheit der Produkte lesen Sie auf diesen Seiten.

Rund 80.000 Bundesbürger sind mit der Gluten-Intoleranz diagnostiziert, die unbehandelt zu einer chronischen Erkrankung der Dünndarmschleimhaut führt. Schätzungen zufolge ist jedoch bis zu 1 Prozent der Menschen hierzulande von Zöliakie betroffen, damit leiden bis zu einigen Hunderttausend daran, ohne es zu wissen. Die Ursache der Unverträglichkeit haben Mediziner bisher nicht vollständig geklärt. Bewiesen ist jedoch, dass Zöliakie in jedem Alter auftreten kann. Am häufigsten wird diese zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr diagnostiziert.

Nicht nur bei Zöliakie-Betroffenen, auch bei Menschen mit Gluten-/Weizen-Sensitivität löst das Klebereiweiß Beschwerden aus. Experten vermuten, dass diese Überempfindlichkeit auf Gluten ungefähr sechs bis sieben Mal häufiger vorkommt als Zöliakie. Gesicherte Zahlen hierzu fehlen jedoch bisher.

Multitalent Gluten
Insbesondere wer an Zöliakie leidet, muss alle Lebensmittel meiden, die auch nur geringe Mengen glutenhaltiger Getreidesorten (z. B. Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Grünkern, Kamut und Einkorn) enthalten. Dies betrifft nicht nur Back- und Teigwaren oder Cerealien, sondern auch viele weitere Erzeugnisse. So wird beispielsweise in Halbfertig- und Fertigprodukten Gluten häufig aufgrund seiner vielfältigen Eigenschaften eingesetzt: Es geliert, bindet Wasser, stabilisiert und ist ein guter Trägerstoff für Aromen. Darüber hinaus versteckt sich Gluten in vielen Produkten, in denen man es nicht vermutet, z. B. in Eiscreme oder Zahnpasta, ebenso in Pommes frites, Wurst, Nuss-Nougat-Cremes, Chips, Ketchup, Senf, Brühwürfeln, Saucen, Fertiggerichten, Sojasoßen oder Marzipan.

Seit 2005 müssen im Rahmen der Allergiekennzeichnung glutenhaltige Inhaltsstoffe auf der Zutatenliste verpackter Produkte aufgeführt werden, seit 13. Dezember 2014 sind die Angaben auch bei loser Ware verpflichtend. Allerdings berücksichtigt die Kennzeichnungspflicht ausschließlich Rezepturbestandteile. Da es in seltenen Fällen zu einer unbeabsichtigten Kontamination mit Gluten kommen kann, warnen manche Hersteller mit der Angabe „Kann Spuren von Gluten enthalten“.

Was ist eigentlich Zöliakie?
Zöliakie ist eine chronische Entzündung der Darmschleimhaut, die auf einer Gluten-Unverträglichkeit beruht. Im Dünndarm wird die aufgenommene Nahrung in ihre Bestandteile zerlegt und gelangt über die Dünndarmschleimhaut in den Körper. Der Darm ist mit vielen Falten, sogenannten Darmzotten, ausgekleidet. Über sie wird der Körper mit Nährstoffen versorgt. Der Dünndarm spielt zudem eine wichtige Rolle für unser Immunsystem, das normalerweise Infekte abwehrt. Beim Zöliakie-Betroffenen richten sich die Abwehrkräfte des Immunsystems gegen den eigenen Verdauungstrakt, daher zählt Zöliakie auch zu den Autoimmunerkrankungen. Die Darmzotten bilden sich in der Folge fast vollständig zurück, wodurch die Oberfläche des Dünndarms immer kleiner wird. So können nicht mehr genügend Nährstoffe aufgenommen werden, Mangelerscheinungen entstehen. Erfolgt keine Behandlung, kann die Krankheit bis hin zu Darmkrebs führen. Symptome einer Gluten-Intoleranz sind u . a. Durchfall, Blähungen des Unterleibs, Erbrechen sowie Gewichtsverlust. Den ersten Hinweis liefert ein Bluttest auf bestimmte Antikörper. Eine endgültige Diagnose kann erst auf Basis einer Dünndarm-Biopsie (Entnahme von Gewebe) gestellt werden. Einzig durch eine lebenslange glutenfreie Diät kann die abgeflachte Dünndarmschleimhaut ihre normale Gestalt und Funktion zurückgewinnen. Jedoch bereits ein Viertel Gramm Weizen führt zu erneuten Schädigungen.

Geschätzte 80.000 Menschen in Deutschland haben eine Zöliakie. Man rechnet aber mit rund 400.000 Menschen, die von der Gluten- Unverträglichkeit Zöliakie betroffen sind, ohne es zu wissen.


Im Zeichen der Ähre

Neue alternative Rohstoffe sorgen für mehr Vielfalt im glutenfreien Angebot. Die richtige Präsentation und Kennzeichnung am Regal sowie Verbundplatzierungen steigern den Abverkauf und vermitteln Kompetenz.

Die wachsende Produktgruppe der glutenfreien Lebensmittel bietet Zöliakie-Betroffenen und Menschen mit Gluten-/Weizen-Sensitivität Sicherheit. Das Angebot umfasst mittlerweile eine Vielzahl von „Ersatz“-Produkten verschiedener Hersteller- sowie Handelsmarken für das Trocken- und Tiefkühlsortiment. Sofort erkennbar sind sie durch den prominenten Aufdruck „glutenfrei“ oder einer durchgestrichenen Ähre – das Zeichen für glutenfreie Kost, das durch die landeseigenen Zöliakiegesellschaften vergeben wird.

Dabei ist wichtig zu wissen: Ein Produkt darf nur dann als „glutenfrei“ bezeichnet werden, wenn der Grenzwert von 20 ppm (ppm steht für „parts per million“; 1 ppm = 1 Milligramm pro kg) nicht überschritten wird, es pro 100 g also maximal 2 mg Gluten enthält.

Die Vielfalt des Sortiments sorgt für mehr Geschmack und Abwechslung auf dem Speiseplan der Betroffenen und kommt deren Wunsch nach mehr Normalität nach. Neue Entwicklungen wie spezielle Folien, die beispielsweise als Verpackung und gleichzeitig Aufbackfolie für Backwaren dienen, erleichtern zunehmend den Alltag und verhindern jegliche Form der Kontamination in der heimischen Küche.

Der Unterschied in der Herstellung der Spezial-Produkte im Vergleich zu herkömmlichen Erzeugnissen besteht zunächst in dem Austausch der unverträglichen Rohstoffe. Statt der Getreidesorten Weizen, Roggen, Gerste etc. werden in den Produkten u. a. Hirse, Mais, Kartoffeln oder Reis verwendet, darüber hinaus Amaranth, Quinoa, Buchweizen, Johannisbrotkernmehl, Tapioka und Maniok. Nudeln beispielsweise werden meist aus Maisstärke und Maismehl hergestellt. Bei der Produktion von Bier setzen Brauer alternativ Mais, Reis, Hirse, Buchweizen oder Sorghum (aus der Familie der Süßgräser) ein, oft wird Hirsemalz verwendet.

Streng Kontrolliert
Glutenfreie Mehle haben nicht die gleichen Backeigenschaften wie Weizenmehl. Daher werden bei der Herstellung glutenfreier Backwaren Verdickungsmittel verwendet. Dies sind primär Johannisbrotkernmehl oder Guarkernmehl, aber auch Flohsamenschalen. Ohne diese Zusätze werden die glutenfreien Teige trocken und bröselig. Unter Verwendung der Verdickungsmittel hingegen nehmen sie mehr Flüssigkeit auf.

Die Rohstoffe für glutenfreie Produkte werden strengen Analysen unterzogen, bevor sie zur weiteren Verarbeitung zugelassen werden. Nur wenn sichergestellt ist, dass der Grenzwert von 20 ppm eingehalten werden kann, dürfen die Rohstoffe weiter verarbeitet werden.

Die einzelnen Produktionsschritte unterscheiden sich nicht wesentlich von denen herkömmlicher Produkte.

Allerdings werden glutenfreie Lebensmittel ausschließlich in dafür vorgesehenen Produktionsstätten – auf glutenfreien Linien – hergestellt, sodass gewährleistet ist, dass keine Kontamination erfolgen kann. Sorgfältige, permanente Qualitätssicherung und Analysen stellen sicher, dass die Produkte den Grenzwert von 20 ppm nicht überschreiten und somit für die Betroffenen bekömmlich und sicher sind. Um auch beim fertigen Produkt eine Kontamination mit Gluten auszuschließen, werden die Produkte hermetisch verpackt.

Zweigeteiltes Sortiment
Die Warengruppe Glutenfrei unterteilt sich in Trocken- und Tiefkühl-Sortiment. Die bedeutendste Kategorie im Trockensortiment ist aktuell Brot. Auch Mehle für verschiedene Anwendungsbereiche zählen zu den Top-Sellern. Hier findet sich aktuell ein Trend zu getreidefreien Mehlen auf Basis von Hülsenfrüchten wie Lupine, Erbsen, Linsen und Sojabohnen. Backmischungen, Cerealien, Knabberartikel und Teigwaren sind ebenfalls im Trockensortiment zu finden. In der Tiefkühltruhe stehen vor allem Convenience-Artikel (Pizza, Lasagne, Fischstäbchen oder Blätterteig), aber auch Kuchen bzw. Torten zur Verfügung.

Die Sortimentsgestaltung richtet sich zunächst nach der Größe der Verkaufsfläche. Es empfiehlt sich, in kleineren Märkten mit den Grundnahrungsmitteln wie Brot, Gebäck, Brot-Ersatz, Mehl und Pasta zu beginnen.

So kurbeln Sie den Absatz an
Bei der Warenpräsentation gibt es zwei Möglichkeiten: die Blockbildung oder die Zuordnung zu den entsprechenden Warengruppen. Für beide Varianten gibt es Argumente. Speziell bei der Einführung glutenfreier Produkte in einem Markt hat sich die Warenpräsentation im Block bewährt, um den Verbraucher auf das Angebot aufmerksam zu machen. Sie dient vor allem der besseren Übersicht. Allgemein übliche Verkaufsförderungs- Maßnahmen sollten eingesetzt werden, um die Verbraucher auf die Produkte aufmerksam zu machen. Deckenhänger, Regalstopper und Zweitplatzierungen lenken den Blick der Kunden auf die Produkte. In Verkostungs- Aktionen können sich auch weitere Verbraucher – z. B. Familienmitglieder von Zöliakie- Betroffenen – über neue Produkte informieren und von Qualität und Geschmack überzeugen lassen. Zöliakie geht zum Teil mit anderen Krankheitsbildern einher. In einer akuten Krankheitsphase tritt häufig gleich- zeitig eine Unverträglichkeit von Milchzucker (Laktoseintoleranz) auf, da der Dünndarm das notwendige  Enzym Laktase nicht mehr produziert. Laktosefreie Produkte helfen Doppelt- Betroffenen und bieten sich daher für Verbundplatzierungen im Handel an.


Alltag meistern

Nicht nur auf die richtigen Zutaten müssen Zöliakie-Betroffene achten. Auch im Handling in der Küche ist vieles zu beachten.

Mit dem Kauf glutenfreier Nahrungsmittel allein ist es nicht getan. Auch die richtige Lagerung sowie Vor- und Zubereitung der Speisen ist essenziell, um Verunreinigungen mit Gluten zu vermeiden und damit für Sicherheit zu sorgen. Darauf ist vor allem zu achten, wenn gleichzeitig für nichtbetroffene Familienmitglieder oder Gäste gekocht oder gebacken wird.

So müssen Arbeitsflächen, Kochgeschirr, Backformen etc. vor deren Benutzung stets gründlich gereinigt werden. Achten Sie dabei auch darauf, dass Spültücher, Geschirr- und Handtücher frei von Gluten (Mehlstaub etc.) sind.

Arbeitsgeräte aus Holz (Schneidebretter, Kochlöffel etc.) sowie Getreidemühlen sollten ausschließlich für die glutenfreie Zubereitung bzw. Nutzung verwendet werden, da ihre Reinigung schwierig ist.

Glutenfreie Zutaten wie Mehle und Backzutaten sollten gut verpackt und getrennt von glutenhaltigen Lebensmitteln aufbewahrt werden. Dies gilt auch für fertige glutenfreie Brot- und Backwaren.

Beim Kochen, Braten oder Frittieren dürfen die glutenfreien Lebensmittel nicht im gleichen Kochwasser bzw. Frittier- und Bratfett wie glutenhaltige Lebensmittel gegart werden.

Freigabe für glutenfreie Hafer-produkte
  • Glutenfreie Produkte aus bzw. unter Verwendung
  • von nicht-kontaminiertem Hafer hergestellt, können ab sofort auch in Deutschland mit dem Glutenfrei-Symbol der durchgestrichenen Ähre gekennzeichnet werden. Das Glutenfrei-Symbol wird, wie bereits international eingeführt, um die Bezeichnung „oats“ ergänzt.
  • Für den Betroffenen ist damit auf einen Blick ersichtlich, dass es sich um
  • ein auf Kontaminationen geprüftes Produkt handelt, das bei persönlicher
  • Entscheidung pro Hafer individuell im Rahmen einer glutenfreie
  • Ernährung bei Zöliakie verwendet werden kann. Darüber hinaus wird der
  • Verbraucher durch die Länder-kennung (DE) darüber informiert, dass es sich um ein deutsches, durch die DZG lizenziertes Produkt handelt.
Wissen checken

Wer aufmerksam gelesen hat, kann die folgenden Fragen beantworten.

{tab=Fragen}

  1. Was ist Zöliakie?
  2. Welche Lebensmittel sind für Zöliakie-Betroffene tabu?
  3. Wann darf ein Produkt als glutenfrei gekennzeichnet werden?

{tab=Antworten}

  1. Eine chronische Erkrankung der Darmschleimhaut, verursacht durch eine Gluten-Intoleranz.
  2. Alle Lebensmittel, die das Klebereiweiß Gluten enthalten.
  3. Wenn der Grenzwert von 20 ppm nicht überschritten wird, es pro 100 g also maximal 2 mg Gluten enthält.

Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Wir danken der Dr. Schär AG, Burgstall/Italien, für den fachlichen Rat und das zur Verfügung gestellte Material.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen