Warenverkaufskunde Streuobst

Streuobstwiesen sind ein Paradebeispiel für nachhaltiges Wirtschaften. Die Argumente: aktiver Umweltschutz und die Erhaltung schöner Landschaften.

Freitag, 09. Oktober 2015 - Warenkunden
Heidrun Mittler
Artikelbild Streuobst

Produkte aus der Region – dieses Thema zählt derzeit zu den bedeutenden Trends im Handel. Mit regionalen Lebensmitteln gelingt es Einzelhändlern, sich im Sortiment von vielen Mitbewerbern abzusetzen und dadurch das eigene Profil zu schärfen . Außerdem bringen regionale Waren kurze Transportwege mit sich, was ein großer Vorteil in der Umweltbilanz ist. Nicht zuletzt schafft der Handel somit eine Verbundenheit zu den Kunden, die besonders heimatbezogen sind.

Wie das Thema Streuobst in diese Argumentation hineinpasst, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Doch, um es vorweg zu nehmen: Es bietet große Chancen, die Kunden in Sachen Nachhaltigkeit anzusprechen. Dabei gibt es allerdings keine maßgeschneiderten Aktionspakete, jeder einzelne Händler kann selbst aktiv werden und eigene Maßnahmen entwickeln . Der Grundgedanke: Wer Streuobstwiesen fördert, leistet einen aktiven Beitrag zur Erhaltung der Natur.

Als Streuobst bezeichnet man die traditionelle, extensive Form des Obstbaus (mit z. B. Apfel-, Birnen-, Zwetschgen-, Kirsch- oder Walnussbäumen sowie Wildobst) in Unterscheidung zum Obstbau mit niedrigen Stämmen in Plantagen. Es handelt sich um Bestände mit typischen Merkmalen wie weiträumigem Pflanzabstand, unterschiedlichen Altersklassen und Obstarten, starkem Wuchs und großen Baumkronen. Charakteristisch ist der weitgehende Verzicht auf synthetische Behandlungsmittel sowie ein höherer Anteil alter, zum Teil regionaltypischer Sorten.

Seinen Namen verdankt das Streuobst seiner unregelmäßigen, wie zufällig über die Fläche gestreuten Anordnung. Streuobst gibt es allerdings auch in Reihen- oder Einzelbaumpflanzungen. In Streuobstwiesen können zwischen 2.000 und 5.000 Tierarten beheimatet sein. Den größten Anteil nehmen dabei Insekten, wie Käfer, Wespen, Hummeln und Bienen ein, für viele Vogelarten sind alte Streuobstbestände durch ihren Höhlen- und Totholzreichtum die ideale Lebensstätte. Außerdem gilt die Vielfalt der alten Sorten gegenüber Krankheiten und Schaderregern als besonders robust und bietet somit wertvolles genetisches Potenzial . Streuobstwiesen wirken sich zudem positiv auf den Naturhaushalt aus: Sie befeuchten und kühlen die Luft, bremsen Windböen und filtern Schmutzpartikel aus der Luft. Die Bewirtschaftung der Flächen ist arbeitsintensiv, schont allerdings Boden und Wasser.

Im letzten Jahrhundert hat der gewerbsmäßige Obstanbau in Deutschland die Oberhand gewonnen, Streuobstwiesen standen nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Seit einigen Jahren aber gibt es bundesweit Initiativen, die das Thema wieder ins öffentliche Interesse rücken, meist verbunden mit der Zielrichtung: „Rettet unsere Landschaft!“. Sie werden zum Teil mit europäischen Fördermitteln unterstützt.


Ein gutes Beispiel ist das Schwäbische Streuobstparadies. Die Streuobstwiesen zwischen Alb und Neckar bilden mit rund 26.000 ha eine der größten zusammenhängenden Streuobstlandschaften Europas, mit 1,5 Mio. Obstbäumen und einer großen Sortenvielfalt. Der Verein Schwäbisches Streuobstparadies e. V. hat touristische Angebote entwickelt, angefangen von Routen für Radfahrer und Wanderer über Lehrpfade bis hin zu Besichtigungen bei Verarbeitern, wie etwa Brennereien. Außerdem hat der Verein eine Börse ins Leben gerufen, damit mehr Flächen von interessierten Bürgern bewirtschaftet werden.

Ein wichtiger Aspekt ist natürliche die Verwertung des Streuobstes, in erster Linie handelt es sich um Äpfel, Birnen und Zwetschgen. Das naturbelassene Obst unterscheidet sich rein äußerlich von der genormten Ware, die ansonsten im Handel verkauft wird. Die Äpfel sind beispielsweise unregelmäßiger geformt, mal kleiner, mal größer – und natürlich nur in begrenzter Menge verfügbar.

Während Äpfel und Birnen für einen gewissen Zeitraum lagerfähig sind, müssen andere Obstarten direkt verzehrt oder verarbeitet werden. Im Schwäbischen hat sich eine Reihe von Manufakturen auf die Verwertung von Streuobst spezialisiert . Diese produzieren Konfitüren und Brotaufstriche, wecken Früchte ein, trocknen Äpfel oder Pflaumen zu Trockenobst. Oder aber, sie pressen Saft, der sortenrein sowie in Mischungen angeboten wird, produzieren alkoholische Getränke wie Apfelwein, Liköre oder destillieren Obstbrände.

Dabei ist die Menge der hergestellten Produkte überschaubar, sie reicht meist nur für die Belieferung einiger weniger Märkte aus – eben im regionalen Umfeld. Die Produkte werden meist direkt bei den Erzeugern in Hofläden, auf Wochenmärkten, aber zunehmend auch bei selbstständigen Einzelhändlern verkauft.

www.bund-hessen.de, Flyer über Streuobstwiesen zum Download; www.streuobstparadies.de

Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Wir danken dem Schwäbischen Streuobstparadies e.V., Bad Urach, und dem BUND Hessen, für den fachlichen Rat und das zur Verfügung gestellte Bildmaterial.Fotos: MBW Marketinggesellschaft – Uli Regenscheit (Titel), Schwäbisches Streuobstparadies, Burkhardt Fruchtsäfte

Marketing in Sachen Natur

In fast allen Bundesländern gibt es Streuobstwiesen. Und fast überall gibt es Initiativen, diese regional zu fördern. Dieses Thema kann der Handel nutzen, es unterstützt den Aspekt der Nachhaltigkeit.

Händler, die sich über das Thema Streuobstwiesen Profil verschaffen möchten, sollten geeignete Verarbeiter in ihrer Region suchen und ein vielleicht schon bestehendes Netzwerk nutzen. Am PoS ist es wichtig, die Ware gesondert zu platziert und ihre Besonderheiten zu erklären. Der Kunde muss verstehen, dass er einen etwas höheren Preis bezahlt, um der Natur etwas Gutes zu tun. Spannend ist es, Kunden in Aktivitäten einzubeziehen. Diese könnten zum Beispiel Patenschaften für eine Wiese übernehmen. Oder aber, der Händler organisiert einen Ausflug mit Verbrauchern zu Verarbeitern (Mosterei, Brennerei). Je nach Standort ergibt sich die Möglichkeit, touristische Angebote mit Kunden zu nutzen.

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Bild öffnen Natürlich wirtschaften: Hier wird wenig gespritzt, deshalb 
sind die Wiesen ein Rückzugsort für Insekten.
Bild öffnen Artenschutz: Streuobstwiesen sind die Heimat vieler verschiedener Tierarten, davon profitieren unsere Vögel.
Bild öffnen Vielfalt: Mit ihren unterschiedlichen Wuchsformen gestalten Streuobstwiesen unsere Landschaft.  
Bild öffnen Zum Snacken: Beliebt sind Apfelchips, eine gesunde Alternative zu Süßigkeiten.
Bild öffnen Hochprozentiges: In erster Linie wird Steinobst destilliert.