Getränke-Dose Aufbruch aus dem Abseits

Spätestens nachdem die Discounter wieder Bier und Softdrinks in Getränkedosen gelistet haben, spricht die Branche vom geglückten Neustart eines beliebten Gebindes und der Erfüllung des Verbraucherwillens. Bedenkenträger wie die Initiative Mehrweg wettern und Befürworter wiegeln ab. Wer hat Recht?

Mittwoch, 25. August 2010 - Sortimente
Tobias Dünnebacke, Markus Oess, Susanne Klopsch

Was für ein Comeback! Eine alte Bekannte hält wieder Einzug in den deutschen Lebensmittelhandel: die Getränkedose. Jahrelang lag sie, politisch gewollt, auf dem Abstellgleis. Das 2003 eingeführte Dosenpfand, sprachlich korrekt: das Einwegpfand auf Einwegverpackungen, hatte sie aus den Regalen vertrieben. Wurden 2003 hier zu Lande noch 8 Mrd. Dosen abgesetzt, waren es 2006 ganze 260 Mio. Doch die Dose hat wieder Fahrt aufgenommen. Entschieden hat dies der eigentliche Souverän am PoS – der Konsument. „Der wichtigste Punkt ist meiner Meinung nach, dass die Verbraucher ihre Dose wiederhaben wollten“, kommentiert Welf Jung, Verkauf und Marketing Direktor bei dem Dosenhersteller Rexam, die Entwicklung.

Klar, könnte man sagen, die wollen eben ihre Produkte auch an den Mann bringen. Tatsache ist aber, dass der Handel wieder auf das Metall-Gebinde setzt und kaum diesen Schritt gegangen wäre, bestünden die all zu großen Gefahren des Flops. „Wir haben den Wiedereinstieg mit Dosen zum richtigen Zeitpunkt vor den Discountern geschafft“, sagt Hans-Jürgen Steffen von der Edeka Hessenring im Gespräch mit der LEBENSMITTEL PRAXIS. Die Melsunger haben für ihre Eigenmarke „29“ eine besondere Dose kreieren lassen und die Range erst kürzlich erweitert.

Auch der Energy Drink Edeka Booster ist in der Dose abgefüllt. „Wir werden den Markt beobachten“, heißt es aus der Edeka-Zentrale auf die Frage nach der weiteren Einschätzung in Sachen Dose. Die Discounter Netto und Penny haben Dosen-Getränke wieder gelistet. Coca Cola führt die 0,25-ml-Dose als Gebinde für unterwegs ein und in Rewe-Märkten ist die Büchse auch schon vertreten. Derzeit sind etwa 8 Prozent der Biere in Stahl oder Aluminium gehüllt – da bleibt die Frage: Wann ziehen die anderen nach? „Ich gehe hundertprozentig davon aus, dass sie es tun. Aber ich kann Ihnen nicht sagen wann“, sagt Wolfgang Hinkel, Geschäftsführer Ball Packaging Europe. Aber: „Ich kann mir vorstellen, dass 2011 richtig Bewegung in den Markt kommt.“

Dabei hat sich 2010 schon einiges getan: „Von Januar bis Mai stieg der Absatz von mit DPG-Logo versehenen Getränkedosen um 27 Prozent“, sagt Hinkel; allein im Juni verkaufte Ball Packaging Europe mit 50 Mio. Dosen genau doppelt soviel wie im Juni 2009. In die Hülle aus Weißblech oder Aluminium fließen Softdrinks und Bier. Das Gebinde wird klar als Convenience-Gebinde positioniert. Die Listung bei Penny und Netto wird in der Branche als Beschleuniger für die Dose verstanden. Zu Recht? Clemens Stroetmann, Geschäftsführer Stiftung Initiative Mehrweg, wettert: „Wir wissen nicht, was sich die Chefs von Penny & Co bei ihrer Entscheidung gedacht haben – an ökologische Ziele oder an nachhaltige Unternehmensführung haben sie jedenfalls nicht gedacht.“

Die Initiative will die Forcierung der Getränkedose nicht einfach schlucken. Man wolle Öffentlichkeit und Verbraucher darauf aufmerksam machen, dass Mehrweg der verantwortungsvollere Weg in die Zukunft sei. Sie fordert gemeinsam mit dem Bündnis für Mehrweg eine verpflichtende Kennzeichnung von Einweg und Mehrweg und von der Politik weitere Maßnahmen zur Stabilisierung von Mehrweg wie die Einführung einer Abgabe auf Einweg-Verpackungen. Ob aber Mehrweg vorbehaltlos als bessere Alternative betrachtet werden kann, muss zumindest hinterfragt werden. Da gibt es etwa den aberwitzigen Flaschentourismus, der, befeuert durch den Trend zur Individual-Flasche, weiter zunimmt, weil die Flaschen nicht durchgängig dort sortiert werden, wo sie auf die neue Füllung warten. Die Dose ist zudem besser als ihr Ruf. Eine aktuelle Studie (Ökobilanzielle Untersuchung verschiedener Verpackungssysteme für Bier) des IFEU-Institutes für Energie und Umweltforschung bescheinigt ihr, dass sie hinsichtlich der Umweltverträglichkeit mit anderen Verpackungsformen mithalten kann.

Mit Marktanteilen wie vor den Pfandzeiten (bei Bier waren es laut GfK fast 20 Prozent) rechnet derzeit allerdings auch keiner. So sagt etwa Dr. Werner Wolf, Sprecher der Geschäftsführung der Bitburger Braugruppe, warum Penny seine Bitburger-Dosen verkauft: „Mit der Rewe Group ist die Bitburger Braugruppe bereits seit Jahren partnerschaftlich verbunden und dort sowohl im Vollsortiment als auch auf der Großfläche mit der Dose gelistet. Als Penny die Getränkedose wieder eingeführt hat, wurde daher auch Bitburger mit in das Sortiment aufgenommen. Mit einem Mehrweganteil von mehr als 90 Prozent über alle Marken hinweg setzt die Bitburger Braugruppe ein deutliches Zeichen für Mehrweggebinde. Hieran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“



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AUFBRUCH AUS DEM 
ABSEITS

Spätestens nachdem die Discounter wieder Bier und Softdrinks in Getränkedosen gelistet haben, spricht die Branche vom geglückten Neustart eines beliebten
Gebindes und der Erfüllung des Verbraucherwillens. Bedenkenträger wie die
Initiative Mehrweg wettern und Befürworter wiegeln ab. Wer hat Recht?

Autoren: Tobias Dünnebacke, Markus Oess, Susanne Klopsch

Was für ein Comeback! Eine alte Bekannte hält wieder Einzug in den deutschen Lebensmittelhandel: die Getränkedose. Jahrelang lag sie, politisch gewollt, auf dem Abstellgleis. Das 2003 eingeführte Dosenpfand, sprachlich korrekt: das Einwegpfand auf Einwegverpackungen, hatte sie aus den Regalen vertrieben. Wurden 2003 hier zu Lande noch 8 Mrd. Dosen abgesetzt, waren es 2006 ganze 260 Mio. Doch die Dose hat wieder Fahrt aufgenommen. Entschieden hat dies der eigentliche Souverän am PoS – der Konsument. „Der wichtigste Punkt ist meiner Meinung nach, dass die Verbraucher ihre Dose wiederhaben wollten“, kommentiert Welf Jung, Verkauf und Marketing Direktor bei dem Dosenhersteller Rexam, die Entwicklung.

Klar, könnte man sagen, die wollen eben ihre Produkte auch an den Mann bringen. Tatsache ist aber, dass der Handel wieder auf das Metall-Gebinde setzt und kaum diesen Schritt gegangen wäre, bestünden die all zu großen Gefahren des Flops. „Wir haben den Wiedereinstieg mit Dosen zum richtigen Zeitpunkt vor den Discountern geschafft“, sagt Hans-Jürgen Steffen von der Edeka Hessenring im Gespräch mit der LEBENSMITTEL PRAXIS (vgl. S. 26 ff.). Die Melsunger haben für ihre Eigenmarke „29“ eine besondere Dose kreieren lassen und die Range erst kürzlich erweitert. Auch der Energy Drink Edeka Booster ist in der Dose abgefüllt. „Wir werden den Markt beobachten“, heißt es aus der Edeka-Zentrale auf die Frage nach der weiteren Einschätzung in Sachen Dose. Die Discounter Netto und Penny haben Dosen-Getränke wieder gelistet. Coca Cola führt die 0,25-ml-Dose als Gebinde für unterwegs ein und in Rewe-Märkten ist die Büchse auch schon vertreten. Derzeit sind etwa 8 Prozent der Biere in Stahl oder Aluminium gehüllt – da bleibt die Frage: Wann ziehen die anderen nach? „Ich gehe hundertprozentig davon aus, dass sie es tun. Aber ich kann Ihnen nicht sagen wann“, sagt Wolfgang Hinkel, Geschäftsführer Ball Packaging Europe. Aber: „Ich kann mir vorstellen, dass 2011 richtig Bewegung in den Markt kommt.“ Dabei hat sich 2010 schon einiges getan: „Von Januar bis Mai stieg der Absatz von mit DPG-Logo versehenen Getränkedosen um 27 Prozent“, sagt Hinkel; allein im Juni verkaufte Ball Packaging Europe mit 50 Mio. Dosen genau doppelt soviel wie im Juni 2009. In die Hülle aus Weißblech oder Aluminium fließen Softdrinks und Bier. Das Gebinde wird klar als Convenience-Gebinde positioniert. Die Listung bei Penny und Netto wird in der Branche als Beschleuniger für die Dose verstanden. Zu Recht? Clemens Stroetmann, Geschäftsführer Stiftung Initiative Mehrweg, wettert: „Wir wissen nicht, was sich die Chefs von Penny & Co bei ihrer Entscheidung gedacht haben – an ökologische Ziele oder an nachhaltige Unternehmensführung haben sie jedenfalls nicht gedacht.“

Die Initiative will die Forcierung der Getränkedose nicht einfach schlucken. Man wolle Öffentlichkeit und Verbraucher darauf aufmerksam machen, dass Mehrweg der verantwortungsvollere Weg in die Zukunft sei. Sie fordert gemeinsam mit dem Bündnis für Mehrweg eine verpflichtende Kennzeichnung von Einweg und Mehrweg und von der Politik weitere Maßnahmen zur Stabilisierung von Mehrweg wie die Einführung einer Abgabe auf Einwegverpackungen. Ob aber Mehrweg vorbehaltlos als bessere Alternative betrachtet werden kann, muss zumindest hinterfragt werden. Da gibt es etwa den aberwitzigen Flaschentourismus, der, befeuert durch den Trend zur Individual-Flasche, weiter zunimmt, weil die Flaschen nicht durchgängig dort sortiert werden, wo sie auf die neue Füllung warten. Die Dose ist zudem besser als ihr Ruf. Eine aktuelle Studie (Ökobilanzielle Untersuchung verschiedener Verpackungssysteme für Bier) des IFEU-Institutes für Energie und Umweltforschung bescheinigt ihr, dass sie hinsichtlich der Umweltverträglichkeit mit anderen Verpackungsformen mithalten kann.

Mit Marktanteilen wie vor den Pfandzeiten (bei Bier waren es laut GfK fast 20 Prozent) rechnet derzeit allerdings auch keiner. So sagt etwa Dr. Werner Wolf, Sprecher der Geschäftsführung der Bitburger Braugruppe, warum Penny seine Bitburger-Dosen verkauft: „Mit der Rewe Group ist die Bitburger Braugruppe bereits seit Jahren partnerschaftlich verbunden und dort sowohl im Vollsortiment als auch auf der Großfläche mit der Dose gelistet. Als Penny die Getränkedose wieder eingeführt hat, wurde daher auch Bitburger mit in das Sortiment aufgenommen. Mit einem Mehrweganteil von mehr als 90 Prozent über alle Marken hinweg setzt die Bitburger Braugruppe ein deutliches Zeichen für Mehrweggebinde. Hieran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“

Marktanteile wie vor dem
Dosenpfand
erwartet
derzeit keiner.

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