Im Geschäft Weinkauf: Fachgeschäft oder Supermarkt?

Wein ist in den meisten Lebensmittelmärkten ein wichtiges Profilierungsfeld. Hier kann der Handel Kunden mit Kompetenz und Serviceleistungen locken. Die Redaktion der LP wollte wissen, wer in Sachen Servicequalität die Nase vorn hat: Wein-Fachgeschäft oder Supermarkt? Ein Fazit: Möglichkeiten für Verbesserungen gibt es in jedem Fall.

Donnerstag, 16. Januar 2014 - Getränke
Silvia Schulz
Artikelbild Weinkauf: Fachgeschäft oder Supermarkt?
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Wein erfreut sich großer Beliebtheit. Das Deutsche Weininstitut weist für den Weinkonsum in Deutschland eine positive Bilanz aus. Der Pro-Kopf-Verbrauch betrug im letzten Weinwirtschaftsjahr (8/2012 bis 7/2013) 21,1 l, was einem Plus von 0,7 Prozent entspricht. Das Werben um die Kunden lohnt sich also. Bei Wein buhlen Fachgeschäft und Supermarkt um die Gunst des Kunden. Die LP hat exemplarisch die Märkte von Rewe in der Pablo-Neruda-Straße und Reichelt in der Drakestraße sowie die Fachgeschäfte Weinladen Schmidt in der Curtiusstraße und Jacques Weindepot in Friedrichshagen (alle in Berlin) besucht und verglichen. Dabei ist zu bedenken, dass dies jeweils nur Momentaufnahmen sind.

Beginnen muss Werbung schon mit Masten-, Zufahrts- und anderen Schildern. Bei Supermärkten längst üblich. Bei Schmidts Weinladen, der in einer Nebenstraße zu finden ist und hier als Beispiel für das Fachgeschäft dient, vermissten die Tester einen solchen Hinweis. Hier würde eine Werbeanlage oder eine Fahne auf die Parkplätze, die hier sehr rar sind, kundenorientiert hinweisen. Zweites Werbemedium ist heute der Auftritt im Netz – er gehört für alle besuchten Outlets zu den Basics.

Das bekanntlich größte Werbemedium am PoS ist das Schaufenster , hier sind die Fachgeschäfte klar besser als der Supermarkt. Das gute, alte Schaufenster ist das einzige dreidimensional wirkende Werbemedium. Die Schaufenster der beiden Weingeschäfte waren weihnachtlich dekoriert. Da sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten lässt, berücksichtigten die Tester diesen Aspekt nicht.

In diesem Zusammenhang stellt sich aber die Frage, warum Supermärkte diese Chance eigentlich an sich vorbeiziehen lassen? Was spricht dagegen, das schnöde Durchsichtsfenster zum Schaufenster umzugestalten und hier das Profilierungs-Sortiment oder Aktionen vorzustellen? Fakt ist, der Kunde kommt in den Supermarkt, um seinen Bedarf zu decken. Fakt ist aber auch, dass ein Schaufenster eine Botschaft transportiert und als Lockmittel dienen kann. Bestenfalls weckt ein Schaufenster Emotionen und führt zu Impulskäufen.

Profilieren und präsentieren: Ist der Kunde erst einmal im Geschäft, muss die Gestaltung dafür sorgen, dass er gerne bleibt. Übersichtlichkeit, Ordnung, Sauberkeit und Warenfülle spielen eine große Rolle. In den Supermärkten dienen (als Straßenschild getarnte) Sortimentsschilder zur Orientierung. Im Regal übernimmt das Regalschienenschild und eventuell ein Zusatzschild diese Aufgabe.

Das Ergebnis: unentschieden. Absolut überzeugend war das Regalschienenschild bei Rewe. Auf ihm findet der Kunde alles zum Produkt, was er wissen muss: Name, Herkunft, kurze Beschreibung, Empfehlungen zu Temperatur und „passt zu“. Bestens: Alle Informationen sind auf einen Blick erfassbar. Ähnlich perfekt geht es in Jacques Weindepot zu. Da die Schilder hier ein wenig größer sind, erfährt der Kunde überdies noch Interessantes zum Weingut und Winzer. Mit Abstand folgt Reichelt und das Schlusslicht ist Schmidts Weinladen. Auf dem Regalschienenschild ist nur Platz für Name und Preis.

Die Supermärkte präsentieren ihre Weine in einem langen Regal. Bei Rewe wirkten die Weine im letzten Wandregal im Paletten dominierten Getränkeshop ein wenig verloren. Unterstützt wurde dieser Eindruck durch mehrere Regallücken. Bei Reichelt war es vor dem Weinregal durch Displays, eine Kühltruhe (passend mit Wein und Käse bestückt, aber sehr leer) und Pfeiler ein wenig eng.

Die Aufenthaltsqualität in den Weinfachgeschäften dagegen gewann durch den Einsatz von viel Holz (Regale, Verkostungstische). Holz passt bestens zu Wein, doch Jacques Weindepot wirkte durch die Kistenware wie ein Discounter. Schmidts Weinladen ist durch die kleine Verkaufsfläche benachteiligt – die Platzierung der Regale weniger übersichtlich. Ergebnis im Vergleich: kein eindeutiger Sieger.


Kompetenz & Service: Wein und Käse, Wein und Schokolade – Zusatzsortimente führen alle. Bei Rewe sind sie nur nicht als solche auszumachen, da sie viel zu weit entfernt von den Weinen platziert sind. Bei Reichelt sind die Weine perfekt – gegenüber der Käsetheke – angeordnet.

Die Wein-Fachgeschäfte offerieren eine kleine Auswahl an Schokolade. Bei Schmidts gibt es Gläser und Gewürze. Ähnlich ist es bei Jacques Weindepot. Nur wurden hier die Zusatzartikel (Schokolade, Koch- und Weinbücher, Accessoires) von den Testern als stimmiger wahrgenommen. Beispielsweise konnte die Verkäuferin nur auf einen interessierten Blick hin einen witzigen Schürzenhalter live vorführen und noch neugieriger machen.

Neben der Sortimentstiefe nehmen Serviceleistungen und die Dienstleistungsbereitschaft als Wettbewerbsinstrument immer mehr an Bedeutung zu. Supermärkte sind diesbezüglich gut aufgestellt: großes Sortiment, auch das Weinsortiment hält mit dem der Fachgeschäfte mit, sie bieten zudem Kartenzahlung, Geschenkgutscheine, Präsente, Bestell- und Lieferservice. Prima, doch zählen diese Services nur zu den Soll-Serviceleistungen.

Kunden- oder Bonuskarten sind heutzutage Standard. Entscheidend aber ist, wie damit umgegangen wird. Fragt das Personal beim Bezahlen nach der Karte oder wird sie möglicherweise angeboten? Die enttäuschende Antwort: Das war in keinem Outlet der Fall.

Seminare und Veranstaltungen besuchen Kunden gerne. Hier punkteten die Fachgeschäfte. Sie bieten viel rund ums Thema. Weinkauf ist Vertrauens-, aber auch Geschmackssache. Hier hatten die Fachgeschäfte klar die Nase vorn. Sie sind nicht nur fürs Tasting ausgestattet, bei Jacques Weindepot fand es tatsächlich statt.

Doch Kundenservice fängt beim Mitarbeiter an. Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Beratung, also menschliche Zuwendung, sind gefragt. Warum zum Beispiel bieten die Verkäufer die beworbene Geschenkverpackung nicht aktiv an? Leider war das weder im Fachgeschäft noch in der Weinabteilung des Supermarktes der Fall. Was für eine ungenutzte Chance im Weihnachtsgeschäft! Das ist nicht zu verstehen, zudem die Testkäufer nach Wein als Geschenk fragten.


Diabetiker und Wein? Um das herauszufinden, lautete die Frage in allen Verkaufsstellen: „Ich möchte einen Wein verschenken. Allerdings wurde bei dem zu Beschenkenden gerade Diabetes festgestellt. Kann ein Zuckerkranker Wein trinken und wenn ja, welcher kommt infrage?“

Basierend auf Berechnungen bei Versicherten der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) und Hochrechnung auf ganz Deutschland gab es im Jahr 2009 8,0 Mio. behandelte Diabetesfälle (2000 waren es 5,4 Mio.). Das heißt, jeder zehnte Bundesbürger ist betroffen. Da dürfte die Frage nicht überraschen.

Das gute Ergebnis : Alle Mitarbeiter reagierten höflich bis freundlich und keineswegs besserwisserisch. Das schlechte Ergebnis: Nehmen wir die Aussage der Ernährungsberatung Rheinland-Pfalz als Basis, dann gibt es in punkto Beratungskompetenz große Unterschiede. Der Mitarbeiter bei Reichelt schwang sofort die weiße Fahne und empfahl, Rücksprache mit dem Arzt zu nehmen.

Der Verkäufer bei Rewe befolgte das kleine Einmaleins des Beratungsgesprächs und pries sehr überzeugend einen Wein mit 4 g Restzucker an. Dass dieser Wein der einzige vom Winzer direkt bezogene und einzige mit entsprechender Angabe ist, ist sicher Zufall. Grob fahrlässig allerdings war, dass der Alkohol- und Säuregehalt bei dem empfohlenen Wein über den Toleranzgrenzen liegt.

Warum sich keiner der beiden Mitarbeiter beim hauseigenen Ernährungsservice erkundigte, ist nicht zu verstehen. Dabei wäre diese etwas länger dauernde Beantwortung absolut perfekt gewesen.

Doch wer jetzt denkt, dass es in den Weinfachgeschäften kompetenter zuging, der irrt. Die Beantwortung der Frage im Weinladen Schmidt war mehr ein Gestammel als eine fachlich fundierte Antwort, und in Jacques Weindepot verneinte die angesprochene Mitarbeiterin zunächst unseren Wunsch. Doch zum Glück hörte die zweite Verkäuferin mit und gab ihrer Kollegin einen Tipp und dann klappte es fast hundertprozentig mit einer vollumfänglichen Beantwortung.

Beim Service konnten also die Fachgeschäfte leicht Boden gutmachen. Doch scheint die Weinkompetenz sowohl im Supermarkt als auch im Fachgeschäft eher Glücksache zu sein.

Wie wurde getestet?

Testrubriken:
- Schaufenster (Gestaltung, Harmonie, Licht)
- Verkaufsraum (Raum, Licht, Farben, Übersicht)
- Profilierung (Sortiment, Preise)
- Kompetenz (Freundlichkeit, Fachwissen)
- Service (Präsenz, Tasting, Kundenkarten etc.)

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Bild öffnen Ansprechend: Passende Schaufensterdekorationen kann Kunden anziehen. Leider verzichtet der
LEH fasst komplett darauf.
Bild öffnen Dekoriert: Gute Dekoration macht auch Wein noch wertvoller.
Bild öffnen Wechselhaft: Gut und Schlecht: Aussagekräftiges Regalschienenschild, dafür aber heftige Lücken
auf jeder Regal-Ebene.