Alkoholfreie Getränke Die Leichtigkeit des Seins?

Kalorienreduzierte, leichte Limonaden stehen mehr denn je im Fokus. Große Getränkekonzerne und kleine Start-ups buhlen mit Neuprodukten um die Gunst einer wachsenden Konsumenten-Gruppe. Manche Unternehmen trauen dem Hype aber nicht.

Montag, 17. April 2017 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Die Leichtigkeit des Seins?
Bildquelle: Carsten Hoppen,

Hamburg gilt als das Trend-Barometer für alkoholfreie Getränke (AfG). Egal wo in Deutschland gerade die nächste AfG-Revolution gestartet wird: Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz, dass Newcomer ihre Feuertaufe bei Hamburger Gastronomen und Händlern bestehen müssen, um nationalen Erfolg zu haben. Die in Unterfranken von Brauer Dieter Leipold erfundene Bio-Limo Bionade beispielsweise konnte 1999 ohne finanzielles Polster nur durchstarten, weil sich das innovative Getränk schnell bei den Bewohnern an der Elbe rumgesprochen hatte. (Auch wenn der Mythos besagt, dass die erste Bionade-Lieferung nach Hamburg ein Versehen war.)

„Es gibt eine wachsende Gruppe, die auf Zucker verzichtenmöchten.“
Roland Bittermann, Drinkstar

Eine gute Gelegenheit, um sich also einen Überblick über die Trends im AfG-Markt zu verschaffen, ist die jährliche Gastronomie-Messe Internorga in Hamburg. Ein Allround-Paket des guten Gewissens beispielsweise präsentierte das Unternehmen Ferdinant Kreutzer Sabamühle mit der Marke Guampa. Nach Angaben von Vertrieblerin Gertrud Kreutzer „der erste Energy Drink mit Real-Stevia aus Paraguay“, ohne Zucker und Süßstoffe chemischen Ursprungs. Mit je 1 Cent pro verkaufter Dose sollen paraguayische Kleinbauern unterstützt werden. Listungserfolge erzielte die in Nürnberg ansässige GmbH schon bei Marktkauf, Rewe Süd, Edeka Südbayern, Globus sowie Getränke Hofmann in Berlin.

Auch das junge Unternehmen Acáo aus dem hessischen Taunusstein war bei der Hamburger Messe vertreten, um den eigenen Wachmacher (O-Ton Brandmanager Ivo Cosic: „erfrischend wie eine Limonade und belebend wie eine Tasse Kaffee“) vorzustellen: Hergestellt auf Basis von Quitten- und Zitronensaft mit Sanddornpulver und Guarana, stellen die Macher vor allem die geringe Kalorienzahl von 17 Kalorien je 100 ml in den Vordergrund. Ermöglicht wird dies u. a. mit Agavendicksaft als alternatives Süßungsmittel.

„Bei Stevia ist die totale Ernüchterung eingetreten.“
Ullrich Schweitzer, Hassia

Kommt jetzt Das Ende der Zuckerbombe?
Was auffällt: Industriezucker scheint bei den Newcomern im Markt verpönt. Zwar gibt es Light-Varianten mit künstlichen Alternativen wie beispielsweise Aspartam schon seit Jahrzehnten. Sie bewegen sich aber seit Jahren deutlich aus der Nische in den Mainstream und sind für den Handel eine unverzichtbare Größe in der Getränke-Abteilung geworden. Aktuelle Zahlen der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke belegen einen Rückgang beim Konsum von klassisch zuckerhaltigen Limonaden: Lag deren Pro-Kopf-Verbrauch 2012 noch bei 68,1 l, so liegt er 2016 nur noch bei 63,2 l (2015: 65,7 l). Dies entspricht einem Rückgang von 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert.

Allerdings glaubt nicht jeder an das baldige Ende der Zuckerbombe: „Der in den Medien erzeugte inhaltliche Resonanzboden stimmt nicht mit dem tatsächlichen Kaufverhalten überein“, sagt beispielsweise Ullrich Schweitzer, Geschäftsführer Marketing bei der Hassia-Gruppe. Kalorienarme und kalorienfreie Limonaden könnten sich nach Überzeugung des Marketing-Chefs noch nicht in dem prognostiziertem Maße durchsetzen und eine positive Entwicklung deutlich über den zuckergesüßten Limonaden generieren. Schweitzer muss es wissen, denn mit Bizzl mischt die Gruppe kräftig im Markt der leichten Limonaden mit. So verschafften auch neue zuckerfreie Varianten der Marke 2016 ein zweistelliges Wachstum. Zudem habe man mit der Dose als auch mit dem 0,75-l-Glas-MW-Gebinde der starken Nachfrageentwicklung nach kleinen Gebinden erfolgreich Rechnung getragen und die Käuferreichweite deutlich verbessern können. Positive Zahlen also, die nach Auffassung von Schweitzer aber nicht den Markt repräsentieren.


Etwas anders sieht es Roland Bittermann, Geschäftsführer von Drinkstar. Die zum Unternehmen gehörende Marke Deit war in den 1960er-Jahren die erste zuckerfreie Fruchtlimonade Deutschlands. Und ist auch heute noch laut Nielsen die Nummer 1 in diesem Segment. „Nielsen weist für das Jahr 2016 einen deutlichen Rückgang des Marktes in Absatz und Umsatz aus. Dieser auf den ersten Blick negativ erscheinende Trend wird aber bei genauerem Hinsehen durch Sondereinflüsse geprägt, nämlich durch Einbußen bei süßstoffgesüßten Frucht- und Fassbrausen sowie im Eigenmarkensegment“, sagt Bittermann. Die klassischen Light-Limonaden würden sich zumindest stabil entwickeln mit einem Umsatzwachstum von 12 Prozent beim Marktführer Deit 2016. Im Fokus stehe derzeit die Einführung von Deit in 1,25-l-PET-Einweg-Flaschen. Außerdem will das Unternehmen die Verfügbarkeit im 0,75-l-PET-Einweg-Impulsgebinde weiter auszubauen. Des Weiteren ist geplant, gemeinsam mit den Handelspartnern den Abverkauf der stark distribuierten 12-x-1-l-PET-Mehrweg-Kisten zu forcieren. „Dies geschieht vorrangig durch die Einführung neuer Sorten wie zum Beispiel aktuell mit der Geschmacksrichtung ‚Tropische Früchte‘ als auch durch VKF-Maßnahmen wie Instore-Verlosungen oder Kistenzugaben“, sagt Bittermann. Dass die Zeit von zuckergesüßten Getränken vorbei sei, hält Bittermann angesichts des Booms der Energy-Drinks für unwahrscheinlich. „Unbestritten ist aber, dass die Verbraucher gesundheitsbewusster geworden sind und es eine größer werdende Gruppe gibt, die auf Zucker verzichten möchte“, so der Drinkstar-Chef.

„Vio Bio Limo ist 2016 stärker gewachsen als der gesammte Limomarkt.“
El-Chichakli, Coca-Cola

Coca-Cola drängt mit voller Kraft in den Markt
Das sieht der Branchen-Primus ähnlich. Zuckerfreie Getränke machen mittlerweile etwa 30 Prozent des Absatzvolumens des gesamten Getränkesortiments bei Coca-Cola aus. Jetzt macht die Nummer eins im AfG-Markt seinem Wettbewerber Deit zusätzlich Druck. Das Unternehmen führt ab April eine neue leichte Range der erfolgreichen Vio-Bio-Limonaden ein. Diese neue Variante in drei Geschmacksrichtungen enthält 45 Prozent weniger Zucker als herkömmlich gezuckerte Limonaden in Deutschland. Besonderes Augenmerk wird bei der Vermarktung auf die Bio-Zertifikation und den geringen Kaloriengehalt gelegt. „Wir haben gemacht, wie wir es stets machen: In den Markt gehorcht und mit unseren Kunden gesprochen. Dabei kristallisierte sich ein Aspekt heraus: ‚Die Vio-Bio-Limo schmeckt super, aber gibt es die nicht auch zusätzlich mit weniger Kalorien?‘“, erklärte Marketing-Director Kussai El-Chichakli bei der Vorstellung des Produktes. Mit der Bio-Limo hat sich das Unternehmen ein starkes Zugpferd für das kalorienreduzierte Experiment ausgesucht: Nach Aussage von El-Chichakli ist die Marke im vergangenen Jahr stärker gewachsen als der gesamte Limonaden-Markt.

Auch bei der Stammmarke in der Variante Zero gab es Veränderungen. So erhielt Coke Zero zu Beginn des Jahres eine optische und geschmackliche Renovierung. „Wir haben die Rezeptur geändert. Die neue Coca-Cola Zero Sugar schmeckt nun noch mehr wie die klassische Coca-Cola. Zero bedeutet kein Zucker, aber es gibt noch Konsumenten, die sich nicht sicher sind. Deswegen schreiben wir jetzt zusätzlich ‚Null Zucker‘ auf das Etikett und machen es somit leichter verständlich“, erklärt El-Chichakli.

Seit Start des Auftritts mit der neuen Formel habe man einen riesigen Sprung in der Haushaltspenetration gemacht. Nun gelte es, die Wiederkaufraten abzuwarten. „Ich bin sehr zuversichtlich, da Coke Zero auch international ein großer Erfolg ist“, sagt El-Chichakli.

Der erwartete Durchbruch von Stevia bleibt weiter aus
Deutlich weniger euphorisch reagiert man bei Coca-Cola auf das Thema Coke Life. Bei der „grünen“ Cola mit Stevia (genauer: Steviol-Glykosiden aus der Stevia-Pflanze) stehen zuerst anvisierte Vertriebslinien wie Gastronomie mittlerweile weniger im Fokus. Im Handel will man sich auf Großgebinde konzentrieren. „Bei Stevia ist die totale Ernüchterung eingetreten, nachdem die hochgesteckten Erwartungen des Weltmarktführers nicht in Erfüllung gegangen sind. Von einem Durchbruch auf dem Getränkemarkt ist das Süßmittel Stevia meilenweit entfernt“, bewertet Ullrich Schweitzer von Hassia den Markt. Auch Drinkstar-Geschäftsführer Bittermann kommt zu einer ähnlichen Einschätzung: „Keines der bisher eingeführten Stevia-Konzepte hat im Markt eine dominante Stellung erreichen können. Einen Durchbruch im Getränkemarkt hat dieser Süßstoff bislang noch nicht erzielt.“

Dennoch ist die Luft noch nicht raus. Das beweisen neue Listungen im Handel wie unter anderem Green Cola aus Griechenland. Mit der Kombination aus natürlichem Süßstoff aus der Stevia-Pflanze, natürlichen Aromen und natürlichem Koffein aus grünen Kaffeebohnen verzichtet der Hersteller auf Zucker. Das Getränk sei so auch für Menschen mit besonderen Ansprüchen wie Diabetiker, Allergiker oder Sportler geeignet. Das Unternehmen ist seit 2015 auf dem deutschen Markt und insbesondere bei experimentierfreudigen selbstständigen Händlern zu finden.

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