Round Table Premium braucht gute Botschafter - Premium braucht gute Botschafter: Teil 2

Premium-Produkte – die Perlen im Sortiment. Tatsächlich? Denn mit dem Etikett schmücken sich viele. Zu viele? Der Begriff scheint zuletzt ein wenig überstrapaziert, ist aber in Zeiten der notwendigen Differenzierung im Lebensmittelhandel wichtiger denn je. Eine Expertenrunde diskutiert über Voraussetzungen einer erfolgreichen Vermarktung.

Montag, 17. April 2017 - Sortimente
Reiner Mihr
Artikelbild Premium braucht gute Botschafter - Premium braucht gute Botschafter: Teil 2
Bildquelle: Andrea Enderlein

Aber der Discount macht doch längst auch Premium – passt das zusammen?
Griess: Kein Vertriebskanal kann auf Premium verzichten. Discounter machen in der Zeit vor Ostern und Weihnachten 50 Prozent des Premium-Jahresumsatzes. Damit schöpft der Discounter für sich das Segment ab.

Lehmann: Der Discounter sieht seine Eigenmarken als Premium. Da kommt eine schwarze Verpackung drum herum und schon ist es Premium.

Dicke: Natürlich hat auch der Discount in den letzten Jahren auf Premium gesetzt, um zu zeigen, dass er das auch kann. Das ist aber mehr ein Aktionsgeschäft und hätte übers Jahr keine Chance.

Wilkening: Auch Discount-Kunden haben doch Erwartungen an Premium. Wenn die dann enttäuscht werden…

Griess: Diejenigen, die sich mehr versprochen haben, kehren zum Normalprodukt zurück. Und: Die jüngere Zielgruppe heute ist viel kritischer.

Dicke: Klar, Enttäuschungen haben nachhaltige Auswirkungen. Premium im Discount scheint bereits ausgereizt, weil da doch häufig Erwartungen enttäuscht wurden. Deshalb machen die doch jetzt in Marken.

Lehmann: Ist ein Markenprodukt automatisch Premium?
Griess: Viele Marken erfüllen Premium-Kriterien. Aber nicht alle.

Gibt es Produktkategorien, die Sie für Premium ausschließen würden?
Griess: In allen von uns betrachteten Ländern steht bei den Premium-Kategorien Fleisch und Fisch ganz oben, dann sehr schnell Kaffee, Tee, Spirituosen, aber auch weiße und gelbe Linie. Weniger geeignet erscheinen Nährmittel oder vielleicht Windeln.

Gibt es gravierende Unterschiede in anderen Ländern?
Griess: Natürlich. Man muss aber feststellen, dass in allen von Nielsen betrachteten Ländern der Wohlfühlfaktor steigt, 30 Prozent der Bevölkerung in diesen Ländern geben heute mehr für Premium-Produkte aus. Besonders ausgeprägt ist das in Deutschland.

Zizek: Das Ernährungsbewusstsein hat sich doch enorm verändert. Das beeinflusst die Kaufgewohnheiten und fördert Premium.

Körte: Das stimmt ganz sicher. Trotzdem gibt es noch Luft nach oben – in der Schweiz werden bei den Discountern Denner und Aldi Premiumspirituosen für rund 50 Euro angeboten. In der Spirituosenbranche ist der Stellenwert von Premium wesentlich höher als im Durchschnitt der Food-Warengruppen. Premium macht hier fast ein Drittel des Warengruppenumsatz aus (nach Gfk-Definition). Das liegt allerdings auch an veränderten Konsumgewohnheiten – weniger Menge, dafür mehr Genuss.

Lehmann: Aber das ist doch gerade das Problem der Vollsortimenter – ein Premium-Anbieter verkauft sein Premium-Produkt beim Discounter. Damit macht sich der Hersteller doch seinen Premium-Anspruch kaputt. Premium braucht auch ein Premium-Umfeld!

Körte: Der Absatzkanal LEH hat für uns einen hohen Stellenwert. Wir erreichen unsere Konsumenten schließlich nicht nur in der Gastronomie, sondern vor allem im Handel. Hier treffen die Kunden täglich die Wahl, welche Produkte im Einkaufswagen landen: Dazu zählen auch Spirituosen. In manchen Regionen decken Verbraucher ihren Warenbedarf ausschließlich im Discount ab, und wir wollen da sein, wo der Verbraucher ist.

Griess: Wenn Sie die Kunden fragen, wo sie Premium kaufen, ist die mehrheitliche Antwort: im Geschäft. Aber 30 Prozent kaufen schon über Online-Angebote. Das gilt besonders für die jüngere Zielgruppe.

Lehmann: Ich glaube nicht, dass das Online-Geschäft uns in den nächsten Jahren mehr als 10 Prozent abnehmen wird. Die Gefahr sehe ich zukünftig schon, aber noch gehen die Kunden in ihren Markt am Wohnort.

Zizek: Das hängt schon vom Sortiment ab. Bei Spirituosen, Wein oder Craft-Bier geht das schon.

Dicke: Sowohl die Marke als auch der Handel müssen extrem für ihr Premium-Image arbeiten. Der Handel muss sich die Wertschätzung der Kunden über eigene Konzepte erarbeiten, das muss individuell und speziell sein sowie zum jeweiligen Standort passen.

Wie wichtig ist für den Verkauf von Premium das Wissen der Mitarbeiter im Handel?
Wilkening: So einfach ist das nicht. Bei Süßwaren fragt kein Verbraucher im Markt, wie etwas hergestellt, ob gerade was empfohlen wird oder zu etwas anderem passt. Da kommt es viel mehr auf eine Top-Platzierung, Sonder-Aufbauten, Verkostungen an. Wir leben vom Impulskauf, da muss das über die Aufmachung oder die Erlebnisplatzierung laufen. Die Verkäufer spielen da keine so wichtige Rolle.

Zizek: Klar, bei Ihren Produkten, die viele Verbraucher ja gar nicht kennen, funktioniert das nur über Probieren. Da müssen Verkostungen eingesetzt werden. Bei anderen Warengruppen sind es aber doch die Mitarbeiter, mit denen wir uns von Online und Discount abheben

Körte: Wer 30 Euro für einen Whisky oder Gin ausgibt, will auch etwas darüber erfahren. Unsere Field Force bietet deshalb Tastings am PoS und Tastings für Mitarbeiter sowie Produktschulungen für das Marktpersonal an.

Lehmann (ärgerlich): Der Vollsortimenter formt die Marke und dann wird das Premium-Produkt beim Discounter verkauft – das passt irgendwie nicht zusammen.

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