Brot und Backwaren Discount macht die Schnitte

Der Umsatz mit Schnittbrot aus dem SB-Regal legte 2016 zu. Schlecht ist nur: Kunden kauften mehr bei Aldi und Co. Dabei bieten Trends wie Snacken und Gesundheit Chancen für Vollsortimenter.

Donnerstag, 16. Februar 2017 - Sortimente
Susanne Klopsch
Artikelbild Discount macht die Schnitte
Bildquelle: Jörn Strojny

Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal unter der Woche am Küchentisch oder am Tisch im Esszimmer gesessen und gegessen? Eigentlich gar nicht? Keine Sorge, Sie sind nicht alleine: 45 Prozent der Bundesbürger essen überall, nur nicht am häuslichen Tisch. In der Verbraucherumfrage „Wo essen die Deutschen?“ von Tiefkühl-Heimservicelieferant Eismann zeigte sich: Snacken im Gehen, im Auto, in Bus oder Bahn gehört für immer mehr Menschen zum Alltag.

Dieser Trend wirkt sich allerdings nur zum Teil auf den Brot- und Backwarenkonsum aus. Unterm Strich wächst der Markt nur verhalten: 1 Prozent Umsatzplus nannte Susanne Eichholz-Klein in ihrem „Branchenfokus Brot- und Backwaren“ (Institut für Handelsforschung in Köln). Statt zu Brötchen oder Butterbrot greifen die mobilen Esser verstärkt zu Müsli, Cerealien, Obst oder Smoothies.

Einen weiter schrumpfenden Markt für verpackte Brot- und Backwaren prognostiziert Katya Witham, Senior Food & Drink Analystin bei den Marktforschern von Mintel in London: „Wir gehen davon aus, dass der deutsche Markt für verpackte Brot- und Backwaren bis zum Jahr 2020 sowohl wert- als auch mengenmäßig zwischen 0,6 und 3,5 Prozent jährlich schrumpfen wird.“ (siehe Interview auf Seite 60).

Wie kommt nun wieder Schwung in die Sache? Aldi und Lidl rüsten ihre Backstationen um, bauen sie zu SB-Gastro-Ecken aus, liften sie optisch und inhaltlich. Lidl geht noch einen Schritt weiter: In der Schweiz testen die Neckarsulmer seit einigen Monaten „Hot to go“. Verkauft werden dort in gebrandeten Möbeln nahe der Brotabteilung warme Speisen wie halbe Hähnchen, Chicken Nuggets, Pizza oder Gemüse-Quiches, die als veritable Mahlzeit und nicht nur als Snack durchgehen können. 13 Produkte sind im Test, „sie ergänzen unser breites Angebot an gekühlter Convenience wie Salate und Sandwiches“, heißt es bei Lidl Schweiz. Derzeit wird getestet, „es besteht noch kein definitiver Roll-out-Plan“, hieß es auf Anfrage. In Deutschland hält sich Lidl bedeckt. Auf LP-Anfrage nach einem Probelauf in Deutschland wird lediglich darauf verwiesen, dass Lidl hierzulande auch für das Convenience-Sortiment immer neue Produkte wie zum Beispiel Pizza, Hot Dogs, Wraps oder Chicken Nuggets teste.

Gastronomisch in einer ganz anderen Liga spielt die „Markthalle“ von Real in Krefeld. Dort wird der Kunde am Eingang von der offenen Bäckerei und Konditorei empfangen und kann, so gewünscht, den Bäckern bei der Arbeit quasi über die Schulter schauen. Der freie Blick auf Öfen, Kneter und Arbeitsflächen sowie die unverkleideten Rohre an der Decke verbreiten rustikalen Industriecharme: Hier wird handwerklich gearbeitet, hier ist alles frisch. „Das Team der Markthallenbäckerei stellt Brote, Brötchen, Baguettes, Fettgebäcke, Plunder und die Artikel aus der Konditorei selbst her“, heißt bei Real, „der Anteil der Eigenproduktion liegt bei 95 Prozent.“

Frisch gebacken wird, je nach Wochentag, bis mindestens 19 Uhr. 27 Mitarbeiter kümmern sich um Herstellung und Verkauf, unter ihnen Bäckermeister und -gesellen, Konditormeister und Bäckereifachverkäuferinnen. Das Mehl stammt aus einer regionalen Mühle. Die übrigen Rohstoffe bezieht Real zum überwiegenden Teil von einem regionalen Grossisten. Von den 120 angebotenen Produkten werden nur 11 angeliefert, dazu zählen Spezialartikel wie das Eiweißabendbrot.


Discounter machen das geschäft
Der Trend zum Snacken und der weitere Ausbau des Angebots in den Backstationen haben sich – zumindest 2016 – nicht negativ auf die SB-Regale des LEH ausgewirkt: LEH und Drogeriemärkte setzten mit rund 2,55 Mrd. Euro etwa 0,5 Prozent mehr um als im Jahr davor (Nielsen; LEH inkl. Discount und DM). Doch das geht einher mit 1,9 Prozent Absatzminus. Was das für den Vollsortimenter bedeutet, zeigt exemplarisch die Entwicklung beim Schnittbrot, ein mit 942 Mio. Euro Umsatz nach wie vor bedeutender Bereich. Der Umsatz legte gegenüber dem Vorjahr um 1,9 Prozent zu, begleitet von einem Absatzminus von 1,3 Prozent.

Das Fatale: Mit etwa 472,5 Mio. Euro erwirtschafteten große und kleine Supermärkte, Verbrauchermärkte und Drogeriemärkte 2016 gegenüber Vorjahr zwar mehr als der Discount (469,6 Mio. Euro) – verloren aber 2,4 Prozent Umsatz. Die discountierenden Wettbewerber erlösten 6,5 Prozent mehr. In der Menge verloren Vollsortimenter etwa 4 Prozent, Discounter setzten 0,8 Prozent mehr ab. Kurz gesagt: Der Markt für Schnittbrot schrumpft zulasten der Vollsortimenter. Mit Blick auf die quasi permanent unter Zeitdruck einkaufende Kundschaft (Stichwort One-Stop-Shopping) braucht es also Impulse fürs SB-Regal.

Dabei ergänzt das SB-Regal das Angebot von Vorkassenzonenbäcker und Backstation ideal. Dieser Dreiklang deckt verschiedene Verbraucherbedürfnisse ab: Sofortverzehr, Snacken ebenso wie die Bevorratung sowie Spezialitäten, die es in der Backstation eben nicht gibt.

Brote mit ernährungsphysiologischem Zusatzwert sehen Hersteller wie Harry Brot oder Lieken weiter als Impulsgeber. Dabei gebe es so gut wie keine Substitutionseffekte, wie Hans-Jochen Holthausen betont, geschäftsführender Gesellschafter Harry-Brot. „Allein mit unseren beiden Mischbrotsorten ‚Vital & Fit‘ wurde gegenüber dem Vorjahr ein Mehrverkauf von 20 Prozent erzielt.“ Sehr erfolgreich war die Chia-Range. Um fast ein Drittel stieg der Absatz des Eiweißbrotes.

Lieken setzt weiter auf den Trend Superfoods und den damit verbundenen Mehrwert, er sei Teil des Megatrends Gesundheit. „Das Schnittbrot Lieken Urkorn Fit & Vital Chiaktiv war die erfolgreichste Neueinführung der vergangenen Jahre und ist unter den Top 10 der abverkaufsstärksten Artikel des Sortiments.“ Neu zur Range stieß im Januar die Variante Supergreens dazu (mit Brennnessel und Spinat), das Brot ist zudem kohlenhydratreduziert. Unterstützt wird die Neueinführung unter anderem durch eine Kampagne in den sozialen Netzwerken (#happynewyeah) und die Kooperation mit Bloggern.

Gesundheit als zusatznutzen
„Beim Trend Powerfood sind wir ganz vorne dabei“, sagt Ulrike Detmers, Mitgesellschafterin der Unternehmensgruppe Mestemacher. Saaten, Sprossen, Zutaten wie Hirse, Amaranth oder Quinoa finden sich nicht erst seit gestern in den Rezepturen der Gütersloher. Den Trend Snacking bedienen Wraps, Toast- oder Pita-Brötchen. Marktforscher nennen Brote aus anderen Kulturen als Impulsgeber fürs SB-Regal: Mit indischem Naan-Brot, Pita- oder Kebapbrot sieht Detmers die Marke Mestemacher hier gut aufgestellt.

Premium aus Österreich will Ölz Meisterbäcker im deutschen LEH etablieren. Die Feinbackwaren der Dornbirner – zum Teil mit frischer Alpenmilch – sind u. a. bei Edeka Südwest und Real gelistet. 2016 wurde Tegut als Vertriebspartner gewonnen. „Aktuell liegt die gewichtete Distribution der Marke in Baden-Württemberg bereits bei 80 Prozent“, sagt Daniela Kapelari-Langebner, Geschäftsführerin Marketing und Vertrieb. In diesem Jahr soll die Produktpalette um Single-Packs sowie neue To-go-Produkte ausgebaut werden.

Sinnack Backspezialitäten profitierte auch 2016 vom Trend zur Bevorratung und dem Verbraucherwunsch, sich zu jeder Zeit mit frischer Backware zu versorgen. „Die stärksten Umsatzzuwächse erzielten wir mit den Steinofen-, Kaiserbrötchen und ‚Unsere Besten‘“, sagt Verkaufsleiterin Liesel Schlüter. Seit Ende 2016 ist die neue Produktionshalle im Bocholter Industriepark in Betrieb. Dort werden Tortillas hergestellt – Snacking liegt im Trend.