Bio-Wasser Richtig vermarkten

Bio-Wasser: Welche Vermarktungschancen hat ein Produkt, das schon immer als Naturprodukt angeboten wurde, im Lebensmittelhandel? Ein kontroverses Gespräch zwischen Händler und Hersteller.

Montag, 10. Oktober 2016 - Getränke
Reiner Mihr
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Wasser in der Kommunikation stärker emotionalisieren.<br />
Kerstin Ladage

Bio – längst kein Trend mehr, sondern etablierter Bestandteil in immer mehr Sortimenten. Zuletzt startete Gehring-Bunte mit „Christinen“ ihre Bio-Offensive. Dabei dachten doch viele, dass Mineralwasser per se schon „bio“ ist. Weit gefehlt.

Den Weg für Bio-Wasser hatte vor rund sieben Jahren Franz Ehrnsperger von Neumarkter Lammsbräu bereitet, als er sein Bio-Mineralwasser gegen viele – auch juristische – Widerstände auf den Markt brachte. Natürlich hatte diese Markteinführung Sprengkraft. Der eingeschworenen Gemeinde der Brunnenbetreiber konnte das nicht gleichgültig sein. Denn bis dato gab es Bio-Wässer nicht, schlicht weil Wasser von der EU-Öko-Verordnung nicht erfasst ist. Das war auch begründet: Natürliches Mineralwasser bringt die Natur hervor. Seine Zusammensetzung ist zwar nicht beeinflussbar, wenn auch veränderbar (s. Kasten). Allerdings hatte sich Ehrnsperger eigene Kriterien gegeben, die strenger sind als die in der für alle Mineralwasser geltenden Mineral- und Tafelwasserverordnung – vor allem strengere Grenzwerte für Schadstoffe. Hinzu kam eine umweltfreundliche Verpackung und kurze Transportwege.

Der Bundesgerichtshof ließ die Bezeichnung „Bio-Mineralwasser“ damals zu. Damit konnten auch andere Brunnenbetreiber solche Produkt auf den Markt bringen. Vorgeschaltet ist eine Zertifizierung. Bisher wurde der Markt zwar nicht mit Bio-Wasser geflutet, aber mit Ensinger Gourmet, der Rheinsberger PreussenQuelle, der Heil- und Mineralquelle Johann Spielmann aus Dorsten in Nordrhein-Westfalen („Landpark“) und Gehring Bunte mit Christinen sind renommierte Brunnen am Start. Auch andere Brunnen (Hassia, Gerolsteiner, Bad Vilbeler, Rosbacher, Elisabethen-Quelle) befassen sich mit dem Thema – gehen aber einen anderen Weg.

Ob das Wörtchen „bio“ die Vermarktungschancen von Wasser erhöht, ob „bio“ bei Wasser überhaupt nötig ist, wie die Preisstellung sein kann, wie platziert und informiert werden muss – darüber und über mehr sprachen im Edeka-Markt in Wennigsen die Leiterin des Ernährungsservice der Edeka Minden-Hannover, Kerstin Ladage, ihr Ehemann und Edeka-Kaufmann Stefan Ladage mit Carsten-Thomas Heß, Geschäftsführer, und Jürgen Fleer, Verkaufsleiter von Gehring-Bunte. Die LP war dabei.

Stefan Ladage: Unser Markt hier in Wennigsen hat 2.050 qm Verkaufsfläche. Bei uns kauft die Hausfrau ein, die Kaufkraft ist gut. Bio-Produkte spielen schon lange eine große Rolle bei uns. Wir fahren da dreigleisig, einmal mit einem Fachmarktsortiment, separat außerhalb des eigentlichen Marktes platziert. Dann mit Blockplatzierung für bestimmte Artikel und drittens mit der Zuordnung zu den Sortimenten. An Bio kommt hier kaum ein Kunde vorbei.

Kerstin Ladage: Wir müssen allerdings immer intensiver mit unseren Mitarbeitern über das Bio-Sortiment reden. Hier muss noch deutlicher werden, was heißt Bio überhaupt, was sind die Kriterien von Demeter, was bedeuten die verschiedenen Siegel, die Herkunft...

Carsten-Thomas Heß: Und dann komm ich in die Getränkeabteilung und weit und breit ist kein Verkäufer zu sehen.

Stefan Ladage: Kann sein, ändert aber doch nix. Das Sortiment verändert sich: Klar bei Obst und Gemüse muss Bio regional sein, auch bei Fleisch und Wurst. Aber es werden zunehmend auch neue Sortimente für Bio erschlossen.

Wasser zum Beispiel ...
Stefan Ladage: Ja, läuft aber noch nicht so richtig …

Heß: Bei uns schon. Wir haben die Marke Christinen 2015 auf Bio-Qualität umgestellt. Das hat wesentlich zur Absatz- und Umsatzsteigerung bei uns beigetragen. Wir hatten mit Christinen 12 Prozent Absatzplus im letzten Jahr

Stefan Ladage: Ausreichend Kommunikation fehlt noch.

Mineralwasser: Fakten

In Deutschland zugelassene natürliche Mineralwässer müssen vor Verunreinigung geschützt sein und regelmäßig auf ihre Qualität geprüft werden. Sie müssen bestimmte mikrobiologische Anforderungen erfüllen und Höchstgehalte für natürlich vorkommende, kritische Stoffe wie Nitrat und Quecksilber einhalten. Für Wässer für Säuglingsnahrung gibt es noch strengere Vorgaben. Mineral- wasser darf in seiner Zusammensetzung verändert werden,etwa durch physikalische Verfahren, um Eisen, Schwefelverbindungen und andere unerwünschte Bestandteile zu entfernen. Kohlensäure darf entzogen oder hinzugefügt werden. Bei Leitungswasser ist noch mehr möglich. Bio-Mineralwasser muss dagegen aus besonders reinen Quellen stammen, die strengere Kriterien hinsichtlich Rückständen von Pflanzen- schutzmitteln, Dünger, Uran etc. erfüllen. Hinzu sollen eine schonende, nachhaltige Gewinnung des Wassers, seine umweltfreundliche Verpackung und der umweltschonende Vertrieb sowie der Schutz der Wasserressourcen vor Verunreinigungen kommen.

Das Bio-Mineralwasser-Siegel verleiht die Qualitätsgemeinschaft Biomineral- wasser e.V. Die Zertifizierung übernimmt die BCS Öko-Garantie GmbH. Das Siegel ist nicht vom EU-Bio-Siegel gedeckt. Das Thema ist aber in der Diskussion.

Das SGS Institut Fresenius vergibt das Siegel „Premiummineralwasser mit Bio-Qualität“.


Aber Wasser ist doch ein Naturprodukt. Wozu dann noch Bio?

Kerstin Ladage: Nitrat- und Pestizidbelastung wird beim Wasser zunehmend zum Problem werden. Bio-Wasser wird zunehmend seine Berechtigung finden.

Stefan Ladage: Zur Zeit taucht Christinen Bio-Medium erst auf Position 22 in meiner Verkaufsstatistik auf. Aber mein Profil ist schon stark durch Bio geprägt. Ich habe insgesamt einen Anteil von 6,5 Prozent, normal sind vielleicht 3. Bei mir gehört auch ein Bio-Wasser ins Sortiment. Ist aber auch noch neu. Da geht noch was.

Jürgen Fleer: Wir tun einiges für das Produkt. Wir informieren über die Hintergründe. Dazu gibt’s viele Aktionen. Zum Beispiel bekommt man beim Kauf von zwei Kisten einen Wanderführer Teutoburger Wald dazu.

Kerstin Ladage: Sie müssen das Thema Wasser in der Kommunikation stärker emotionalisieren. Sie kommen immer über die Funktion!

Heß: Sie haben natürlich Recht: Die Mineralbrunnen-Branche insgesamt hat wichtige Themen wie Wasserschutz auch in der Kommunikation viel zu lange ausgeklammert. Man hat sich dort oft nur auf Dinge wie Mineralstoffe fokussiert.

Die kriegt man doch auch so aus der Nahrung ...
Kerstin Ladage: Im Prinzip schon, bei ausgewogener Ernährung dürften Mineralstoffe kein Problem sein. Aber Sportler oder körperlich sehr beanspruchte Menschen kommen um Mineralwasser zum Ausgleich des Mineralstoffhaushalts kaum herum.

Wer kauft denn Wasser generell ein?
Stefan Ladage: Typische Getränkemarkt-Kunden haben wir hier nicht. Unsere Getränkeabteilung ist ja im Markt integriert. Daher wird Wasser hier von Frauen gekauft. Männer kaufen das Bier.

Heß: Christinen hat tatsächlich einen hohen Anteil Frauen als Käufer.

Was sind denn Erfolgsfaktoren für den Verkauf von Bio-Wasser?
Kerstin Ladage: Wie gesagt: Mitarbeiter.

Stefan Ladage: Bessere Werbung. Emotionalisieren. Polarisieren.

Heß: Gutes Design, um sich vom Standard zu differenzieren. Die Verpackung muss die Wertigkeit spiegeln. Gute Platzierung, zu Beginn als Sonderaufbau, ideal mit Verkostung. Dann Dauerplatzierung. Was halten Sie von einer Roadshow mit Innen- oder Außenplatzierung und Frage-Antwort-Gewinnspiel?

Stefan Ladage: Ich finde Innenplatzierung besser.

Fleer: Denken sie auch an den Werteverfall bei Wasser. Die Preise sind doch im Keller. Sie verlieren doch Deckungsbeitrag. Da steuern sie mit Bio-Mineralwasser, das eher im Hochpreissegment angesiedelt ist, gegen.

Da können aber kaum alle deutschen Brunnen mitmachen.
Heß: Das Problem ist natürlich, dass bei der Boden‧belastung nicht alle Brunnen nach Bio-Kriterien abfüllen und liefern können.

Wie schützen Sie Ihr Wasser?
Heß: Unser Quelleinzugsgebiet liegt im Naturschutzgebiet Blömkeberg mitten im Teutoburger Wald oberhalb von Bielefeld und ist damit von Natur aus bestens geschützt. Für Bio-Mineralwasser-Brunnen gibt es zudem strenge Vorgaben, aktiv Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Das geht dann nur über die Förderung von ökologischer Landwirtschaft, weil dort auf den Einsatz von Pestiziden und Co. verzichtet wird.

Gibt’s eigentlich noch Christinen Brunnen konventionell?
Heß: Nein. Christinen ist komplett Bio-Mineralwasser. Übrigens bringen wir demnächst auch Bio-Schorlen auf den Markt. Sowohl Früchte wie Wasser haben 100 Prozent Bioqualität.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Carsten-Thomas Heß (l.), Gehring-Bunte, und EdekaKaufmann Stefan Ladage tauschten sich über das wichtigste Lebensmittel aus: Wasser.
Bild öffnen Wasser in der Kommunikation stärker emotionalisieren.<br />
Kerstin Ladage