Interview mit Susanne Eichholz-Klein Passt zum Stil

„Passt zum Stil“ Der Außer-Haus-Verzehr wird weiter wachsen: Warum, das erklärt Susanne Eichholz-Klein vom Institut für Handelsforschung in Köln, Mitautorin der Studie „Branchenfokus Brot- und Backwaren“.

Donnerstag, 11. August 2016 - Sortimente
Susanne Klopsch
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Bildquelle: Stefan Mugrauer

Welches Ergebnis hat Sie am meisten überrascht bei der aktuellen Studie?
Susanne Eichholz-Klein: Am meisten überrascht hat mich das verhältnismäßig geringe Wachstum des Brot- und Backwarenmarktes insgesamt. Wir haben in den vergangenen Jahren ein Marktwachstum von gerade mal 1 Prozent im Umsatz gehabt. Damit liegen wir unter dem Wachstum für Lebensmittel insgesamt und unter dem für Frischeprodukte. Dabei sind Backwaren ein wichtiger Bestandteil im Lebensmittelmarkt mit einem Umsatzanteil von etwa 9,7 Prozent. Brot und Backwaren sind aus Sicht der Verbraucher sehr positiv besetzt, und es handelt sich um Lebensmittel, die täglich ,auf dem Tisch’ sind. Außerdem haben Backwaren eine hohe Frische-Anmutung und sind damit auch Imageträger für den Handel.

Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Wir haben rückläufige Pro-Kopf-Verbräuche. Allein zwischen 2008 und 2015 ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Brot- und Backwaren um 4 kg zurückgegangen. Im Jahr sind das rund 0,4 kg. Ursachen liegen in Diskussionen um kohlenhydratarme Abendmahlzeiten und ähnliche Themen und in der Verschiebung der Mahlzeiten-Rhythmen in den Familien. Traditionell wurde hierzulande vor allem zum Frühstück und abends Brot, das ,Abendbrot’ gegessen. Flexiblere, längere Arbeitszeiten führen zu Verschiebungen. Heute werden feste Mahlzeiten durch ,Snacking around the clock’ ersetzt. Zudem hat sich das Frühstücksverhalten der Menschen geändert: Wir beobachten seit Jahren einen steigenden Konsum von Müsli und Cerealien. Auch der Verzehr von frischem Obst oder Smoothies wird immer häufiger als Alternative zu Brot oder Brötchen gewählt.

Wo kauft der Bundesbürger derzeit am liebsten Brot und Brötchen für den Verzehr daheim?
Verbraucher kaufen im Einkaufstättenportfolio: Jeder durchschnittliche Haushalt kauft bei ein bis zwei Discountern und Supermärkten, einem Großflächenanbieter sowie bei Handwerksbäckern und Fleischern. Nicht zu vergessen sind Anbieter wie Hofläden, Direktverkäufer oder der Wochenmarkt. Das Angebot an Einkaufsstätten ist breit gefächert. Tendenziell hat der deutsche Shopper den Anspruch, seine Einkäufe im One-Stop-Shopping erledigen zu können. Auf dieses Thema zahlen ganz sicher die Backautomaten ein, sie ermöglichen eine schnelle und bequeme, tägliche Versorgung mit Frischeprodukten. Das heißt aber nicht, dass die Konsumenten am Wochenende nicht gerne zum Handwerksbäcker gehen, um sich mit speziellen Brot- oder Brötchensorten sowie Kuchen zu versorgen. Sie sehen: Den einen favorisierten Kanal gibt es nicht, die Verbraucher entscheiden situativ und anlassbezogen.

Welche Veränderungen in den Vertriebswegen haben Sie beobachtet?
Rein nach Umsatz betrachtet, ist das Handwerk mit einem Anteil von 55 Prozent immer noch der wichtigste Distributeur. Zu diesem Vertriebsweg zählen wir auch die Bäcker in den Vorkassenzonen des LEH, die ja zum Teil von Handwerksbäckern oder handelseigenen Bäckereiketten mit Premiumansprüchen oder dem Händler selbst betrieben werden.

Zur Person
  • Dr. Susanne Eichholz-Klein leitet die Retail Consultants am Institut für Handelsforschung (IFH) Köln.
  • Die Gemeinschaftsstudie von IFH Köln und BBE Handelsberatung „Branchenfokus Brot- und Backwaren 2016“ kann im IFH-Shop bestellt werden.

Welcher Faktor ist für den Kunden beim Vertriebsweg entscheidend: Geht es eher um Erreichbarkeit, Auswahl und Sortiment, oder dass es schnell geht?
Wir haben Konsumenten gefragt: ,Was sind die wichtigsten Leistungen des Lebensmittelhandels?’ Und da steht an erster Stelle nach wie vor mit 75 Prozent das Preis-Leistungs-Verhältnis. Dicht gefolgt vom Thema Qualität: 70 Prozent sagten, wichtig sei die ,immer hohe Qualität der Produkte’. Interessant ist, dass dieses Thema noch vor vier Jahren nur 60 Prozent der Käufer so wichtig war. Beinahe genau so wichtig ist die ,große Auswahl’. Und für 68 Prozent ist die gute Erreichbarkeit ein wichtiges Kriterium, das sind 11 Prozent mehr als bei der Befragung vor vier Jahren – ein starker Anstieg.

Was könnte der LEH vom Bäcker lernen? Was macht dieser besser?
Jede Vertriebsform steht für eine besondere Leistung. Beim Bäcker ist es das handwerkliche Können. Das kann er auch anders kommunizieren als der Handel, etwa mit gläsernen Backstuben, mit einer großen Vielzahl an Produkten, die der LEH mit seinen Backstationen wirtschaftlich nicht anbieten kann. Die Handschrift des Bäckers spielt beim gut geführten Unternehmen sicher eine Rolle.

Da muss sich der Handel aber etwas einfallen lassen?
Er greift dies auf, indem er seine Vorkassenzone mit Premiumbäckern besetzt. Wichtige Themen sind sicher die Aufenthaltsqualität, aber auch die Kaffeekultur. Daran arbeitet der Handel kontinuierlich.

Aldi und Lidl rüsten derzeit ihre Filialen optisch und inhaltlich auf, inkl. Frischebereich sowie Brot- und Backwaren: Wie wird das nach Ihrer Meinung den Markt verändern?
Vergleichen Sie die beiden Backautomaten-Konzepte, ist Lidl sehr viel breiter aufgestellt mit einem breiteren Sortiment. Nach Meldungen aus der Branche plant Aldi neue Abteilungen. Wir rechnen mit weiteren Zuwächsen bei den Backautomaten für ein bis zwei Jahre. Wir gehen davon aus, dass zum Angebot dann auch süße und salzige Snacks gehören werden, wie Pizzazungen oder Laugenstangen mit Käse, die sofort verzehrt werden können.

Wo bleibt beim Trend zum Snacken eigentlich das SB-Regal im Supermarkt?
Wie kann ein Händler hier für Umsatz sorgen?
Das Brotregal hat in den vergangenen Jahren Umsatz verloren. Aber es bleibt wichtig für den Händler. Dort findet der Kunde Brotsorten, die nicht gängig in der Backstation vertreten sind. Zum Brotregal gehören Aufbackprodukte, Toastbrot, Knäckebrot, Vollkornbrote oder klassisches Schnittbrot. Wenn die Kunden neben dem Regal einen Backautomaten vorfinden, dann rückt beim Einkaufen möglicherweise der Frische-Aspekt zulasten der Bevorratung in den Vordergrund. Dabei gibt es ja eine ganze Reihe von Trends, die man auch im SB-Regal umsetzen kann.

Welche meinen Sie da?
Zum Beispiel die steigende Nachfrage nach Urgetreiden, etwa Quinoa oder Amaranth.

Welche Faktoren werden aus Ihrer Sicht den Markt in den nächsten Jahren am stärksten beeinflussen?
Aus Sicht der Verbraucher sind Brot und Backwaren sicher Produkte, die wichtig bleiben werden. Ich glaube nicht, dass der Rückgang des Verbrauchs in der gleichen Geschwindigkeit weitergehen wird. Allerdings werden die Verbraucher auch immer mehr Verzehr-Alternativen haben. Die Themen One-Stop-Shopping, Bequemlichkeit und Uptrading des Handels werden weiter an Bedeutung gewinnen. Im LEH bleibt der Vorkassenbäcker weiterhin sehr wichtig, gerade der Premium-Vorkassenbäcker wird weiter für eine Win-win-Situation sorgen mit gegenseitigem Frequenz- und Imagegewinn. Ich glaube zudem, dass der Außer-Haus-Verzehr noch an Bedeutung gewinnen wird, das passt einfach zum modernen Lebensstil.