Bier Mit Kreativität und Initiative gegen die Bierkrise

Die Händler haben keinen Spaß mehr am Bier. Kritisiert werden geringe Margen und Austauschbarkeit. Die LP fragte Kaufleute, wie sie versuchen, mit kreativen Ideen dem Bier wieder mehr Leben einzuhauchen.

Dienstag, 29. April 2014 - Getränke
Tobias Dünnebacke
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Bier ist mit einem hohen Handlingaufwand und geringen Margen das ungeliebte Kind beim Händler. Kaufleute berichten, wie sie trotzdem versuchen, die Warengruppe wieder mit Leben zu füllen und Geld zu verdienen. Dabei werden sie selbst zum Brauer, Vermarkter oder Fachhändler. Die Industrie kommt bei den Kaufleuten dagegen eher schlecht weg.

„Es macht für uns als Händler keinen Spaß mehr Bier zu verkaufen“, sagt Dieter Hieber, Inhaber der Hieber´s Frische Center KG, und spielt damit auf das seit Jahren zu beobachtende Phänomen des Preisverhaus beim Gerstensaft an. „Dieser Wahnsinn sollte aufhören“, sagt Hieber und geht nach eigenem Bekunden selbst voran. So würde Bier in den Hieber-Märkten immer seltener in der Werbung verramscht, so dass man sich auf andere Artikel konzentrieren könne, mit denen noch eine vernünftige Marge zu erwirtschaften sei. Lichtblicke beim Bier seien laut Hieber die Marke Rothaus und das Braufactum-Konzept der Radeberger-Gruppe. Der Kaufmann zeigt sich überrascht darüber, wie die hochpreisigen Edel-Biere angenommen werden. „Ich hätte nicht gedacht, dass Biere mit einem Preis von 17 bis 18 Euro so gut laufen können.“

Bier ist bei der baden-württembergischen Kaufmannsfamilie eine Herzensangelegenheit. 2006, als das regionale Brauhaus „Kantine“ seinen Geschäftsbetrieb aufgab, zögerte Firmengründer Jörg Hieber nicht lange und erwarb die stillgelegte Brauanlage. Seitdem wird im Hieber`s Frische Center in Lörrach im blinkenden Kupferkessel das frisch gebraute „Markt Bier“ produziert. „Wir waren selbst Fans dieses Brauhauses und die Entscheidung, den Kupferkessel bei uns zu installieren und ein eigenes Bier zu brauen, folgte nicht unbedingt einer rationalen, kaufmännischen Entscheidung“, sagt Dieter Hieber, Sohn des Firmengründers. Das Marktbier sei ein Alleinstellungsmerkmal und mehr Kundenbindungsinstrument als wirkliche Geldmaschine, denn mit Bier und Getränken könnten die Händler im Großen und Ganzen heutzutage „kein Geld mehr verdienen“.

Optimistischer klingt da der Dortmunder Rewe-Händler Uli Budnik. Insgesamt drei Getränkeshops betreibt der Kaufmann, wobei einer in einen Supermarkt integriert ist und zwei separat geführt werden. Hier wird sich auf die schwierigsten Getränkesegmente konzentriert, denn Budnik verkauft in diesen Märkten ausschließlich Bier und Wasser. Und das entgegen den Marktgegebenheiten mit großem Erfolg. Insgesamt werden rund 44.000 hl Bier und Wasser im Jahr in allen drei Märkten verkauft. Inklusive Mix-Varianten stehen rund 400 Sorten Bier zur Auswahl. Im Sortiment ist beispielsweise bayerisches Bier ein Standbein. „Diese Biere liegen enorm im Trend. Das liegt auch am Oktoberfest. Früher war das Thema eher regional auf München beschränkt, doch mittlerweile spielt es auch in anderen Teilen Deutschlands eine Rolle, wo kleine Ableger des Festes gefeiert werden“, sagt Budnik.

Der Rewe-Mann setzt bei seinem Konzept auf insgesamt drei große Kategorien. Das sind einmal die regionalen Biere, neben bayerischem Bier auch Erzeugnisse aus der Dortmunder Umgebung. Dazu kommen die üblichen nationalen großen Fernsehbiere und als dritte Kategorie die Spezialitäten, ein Angebot, das stark international geprägt ist. Besonderheiten im Sortiment sind beispielsweise ein Nougat-Bier, eine Flasche Carlsberg Vintage für 349 Euro und das „Iron Maiden“-Bier der Robinsons Brewery. Dabei darf natürlich auch das eigene Landbier („Homberg’s“) nicht fehlen. „Wir wollen uns als Spezialist etablieren. Wenn man einem Weintrinker ein Geschenk machen möchte, kann man schon mal schnell 30 Euro ausgeben. Aber was schenken sie einem Biertrinker? Wir geben den Verbrauchern die Möglichkeit, mehr zu entdecken, als die üblichen Fernsehbiere“, erklärt Budnik.

Um den Kunden die komplexe Vielfalt insbesondere der internationalen Biere näher zu bringen, hat der Marktinhaber ein eigenes Etiketten-Konzept entwickelt, über das dargestellt wird, aus welchem Land das Bier stammt, welche Geschmacksnuancen es hat, zu welchem Essen es passt und welche ideale Trinktemperatur es haben sollte. Dieses Konzept, wurde sogar eigens geschützt, damit es nicht einfach nachgemacht werden kann. Eine weitere Maßnahme zur Kundenbildung stellen Verkostungen nach Geschäftsschluss dar, das nächste Mal am 30. April. Das Interesse daran sei mit jetzt schon 90 Anmeldungen sehr groß. Partner der Verkostung ist die Schneider-Weiße Brauerei, die mit eigenen Sommeliers durch den Abend leiten wird. Außerdem werden Biere der Brauereien Riegele, Bolten, Ayinger und der Robinsons Brewery verkostet. „Darüber hinaus wird jede Woche im Handzettel eine Spezialität beworben, wobei wir bewusst auf die besonderen Eigenschaften hinweisen, nicht aber den Preis abdrucken“, erklärt Budnik.

Wo Budnik viel in die Ferne schweift und seinen Kunden die Vielfalt der internationalen Bierwelt nahe bringt, verlässt sich Karl-Heinz Giehl, Geschäftsführer des Hit Shopping Centers in Andernach, vor allem auf die Besonderheiten aus der Region. „Wir führen 70 Dachmarken von 44 Herstellern, wobei über alle Sorten und Größen hinweg rund 650 Varianten angeboten werden“, erklärt er. Dabei versuche man aber Spezialitäten und hier sehr gerne regionale Produkte wie das Vulkan Doppelbock im Bourbon-Fass gereift oder die Hachenburger Selection in den Vordergrund zu stellen. Der Umsatzanteil der Warengruppe Bier liegt bei 3,6 Prozent. Ein Drittel dieses Umsatzes wird dabei im Aktionsgeschäft getätigt. „Einerseits versuchen wir, Kunden mit Sonderangeboten, insbesondere auf nationale Biere, ins Haus zu holen, auf der anderen Seite stellen wir renditestarke Spezialitäten verstärkt in den Vordergrund“, sagt Giehl. Das teuerste Bier ist Sorachi Ace, ein stark gehopftes Farmhouse Ale, für 19,99 Euro. „Leider verkaufen wir hiervon nur einige wenige Flaschen im Jahr“, sagt Giehl. Hin und wieder würden den Kunden zum Mittagstisch Bierspezialitäten zur Verkostung angeboten oder an der Fleischtheke eine passende Bierprobe zum Steak mit eingepackt.

Auch Dietmar Tönnies aus Odenthal im Bergischen Land setzt auf die regionalen Tugenden. Mit dem „Landbier mit dem Odenthaler“ verkauft und vermarktet der Rewe-Kaufmann sein eigenes Bier. Das Besondere daran ist nicht nur die traditionelle Rezeptur, die die Eigenheiten des Bergischen Landes widerspiegeln soll, sondern auch der gemeinnützige Gedanke hinter dem Produkt. Die Holzkiste, in der das Bier verkauft wird, kommt aus einer Behindertenwerkstatt und sichert damit Arbeitsplätze für Menschen mit Handicap. Von jeder verkauften Kiste Landbier fließt außerdem ein Euro in Odenthaler Kinder- und Jugendprojekte.

Angesprochen auf die aktuellen Trends der Bierbranche fallen Tönnies vor allem die kleineren Gebinde auf, die, so seine Vermutung, wohl veränderte Konsumgewohnheiten bedienen sollen. Tönnies zeigt sich außerdem beeindruckt von den vielen Neuigkeiten der kleinen Brauereien. „Gerade kleinere Brauereien sind derzeit sehr innovativ und haben keine Angst, Neues auszuprobieren“, sagt er. Als Beispiel nennt Tönnies das Kölsche Wasser der Sünner Bauerei, eine Brause ohne Rohr- und Rübenzuckerzusatz, mit Agavendicksaft gesüßt und dem hauseigenen Brunnenwasser der ältesten Kölsch Brauerei der Welt abgefüllt.

Auch Tobias Fischer, der bei Rewe Tönnies den Getränkemarkt leitet, ist immer bemüht, seinen Kunden Dinge an zu bieten, die sie sonst vielleicht nicht kennen. Hoch in seiner Gunst stehen dabei belgische Biere, Kirschbiere und Trappistenbiere. „Die dürfen nur unter Aufsicht von Trappistenmönchen gebraut werden und kommen in kleinen Auflagen. Das ist genau das, wohin der Markt geht“, sagt Fischer. Ansonsten setzt er bei der Vermittlung der verschiedenen Geschmacksnuancen von Bier auf das Thema Grillen. „Bier und Tier, das passt zusammen“ sagt der Diplom-Designer, der selbst aktiv an diversen Barbecue-Meisterschaften teilnimmt und dieses Wissen auch für Events vor dem Markt nutzt, beispielsweise wenn er aus dem eigenen Landbier für die Kunden eine neue Grillsauce kreiert. „Bier lässt sich insgesamt besser mit Fleisch kombinieren als Wein“, sagt Fischer.

Zu der mittlerweile unüberschaubaren Anzahl an neuen Produkten, insbesondere im Biermischbereich, haben die Händler eine unterschiedliche Einstellung. Neben Tönnies, der vor allem die Innovationskraft der Brauereien lobt, gibt Giehl zu bedenken, dass „die Flächen begrenzt sind und nicht jede Produktneueinführung den Weg ins Regal finden kann.“ Man orientiere sich an den Wünschen des Kunden sowie an Kriterien wie Produktwerbung, Regionalität und Nutzen für den Handel. Besonders aber Uli Budnik hat eine klare Meinung zu der Flut an neuen Bierkreationen der großen Braukonzerne. „Da passiert viel Blödsinn. Viele Brauer gehen ja davon aus, dass die Verwender nach dem Erstkonsum solcher neuen Sorten dabei bleiben. Das ist in der Realität häufig nicht der Fall. Und die zwölfte Sorte Bier mit Kaktus-Geschmack hat eine Halbwertszeit wie eine Kirschblüte. Da wird viel Geld verbrannt und es freuen sich vor allem die Marketing-Agenturen, die damit verdienen

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