Sachsen-Anhalt Dynamisierung der Ernährungswirtschaft

Die Ernährungsbranche ist ein bedeutender Wirtschaftssektor in Sachsen-Anhalt. 93 Betriebe gibt es, einige stellt die LEBENSMITTEL PRAXIS vor.

Mittwoch, 10. Juli 2013 - Länderreports
Silvia Schulz
Artikelbild Dynamisierung der Ernährungswirtschaft
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Der Umsatz der Ernährungswirtschaft in Sachsen- Anhalt beträgt zwar nur ein Fünftel des Umsatzes des restlichen verarbeitenden Gewerbes und dennoch ist sie für Sachsen-Anhalt ein Schwergewicht. Insgesamt gibt es 93 Unternehmen. Jeder achte Betrieb und jeder sechste Beschäftigte Sachsen-Anhalts ist in der Ernährungswirtschaft tätig. 2012 erwirtschafteten die rund 21.900 Beschäftigten einen Umsatz von 7,7 Mrd. Euro. Die ehemalige Ministerin für Wissenschaft und Wirtschaft, Prof. Dr. Brigitta Wolff, lobt besonders die Wandlungsfähigkeit sowie die Innovations- und Leistungsstärke der Ernährungswirtschaft.

Besonders stark ist die Ernährungswirtschaft im Süden des Bundeslandes. Die Firmen der drei südlichsten Landkreise (Saalekreis, Burgenlandkreis, Landkreis Mansfeld-Südharz) stehen für rund 70 Prozent des Branchenumsatzes in Sachsen-Anhalt. 33 haben sich im Netzwerk Ernährungsgewerbe Sachsen-Anhalt Süd , einem freiwilligen Verbund regional ansässiger Unternehmen, organisiert. Die Unternehmen der Branche, die klein- und mittelständisch geprägt ist, können sich (meist) keine großen FuE-Abteilungen leisten. Sie arbeiten daher eng mit inner- und außeruniversitären Forschungseinrichtungen des Landes zusammen. So sieht Dr. Michael Heilemann, Vorsitzender Sprecherrat Netzwerk Ernährungsgewerbe Sachsen-Anhalt Süd, die wichtigste Aufgabe darin, qualitativ erstklassige Produkte zu entwickeln und so Abnehmer im gesamten Land und über die Landesgrenze hinaus zu finden. Einige interessante Firmen stellt die LP hier vor.

Eine der drängendsten Aufgaben aller Produktionsbetriebe sind Handelsbeziehungen zu anderen Ländern. Bei Ost-Marken ist das noch wichtiger, da sie oftmals nur partiell distribuiert sind und die langjährige Zielgruppe überaltert ist. Für den Exportausbau ist Halloren ein Paradebeispiel. Der Außenhandelsumsatz liegt aktuell bei 30 Prozent. In zwei Jahren sollen es mindestens 50 Prozent sein, so Unternehmenschef Klaus Lellè: „Wir wollen unsere Ziele auf drei Wegen erreichen: durch die Erschließung neuer Märkte, durch organisches Wachstum in denjenigen Auslandsmärkten, in denen wir bereits aktiv sind, und durch weitere Akquisitionen.“ Ganz neu ist die strategische Partnerschaft und Beteiligung (50 Prozent) der Halloren Schokoladenfabrik AG mit und an dem belgischen Pralinen- und Schokoladenhersteller Bouchard Daskalidès NV in Gent.

Doch die Liste mit dem höchsten Export-Anteil in Sachsen-Anhalt führt die Klemme AG – Frozen Bakery Products an. Die hier produzierten Ciabatta stehen auf der Hitliste italienischer Firmen ganz oben. Handels-Kunde Nummer 1 ist Lidl. Laut Vorstand Alf-Friedrich Fasold beliefert das Unternehmen alle Handelsfirmen – direkt oder indirekt – sowie Quick-Service-Restaurants und Tankstellen. Pro Tag rollen 120 LKW mit je 33 Paletten vom Hof. Das sind 5 Mio. Stück pro Tag und 1,5 Mrd. jährlich. Tendenz steigend.

Auch Stefan Sommer, Marketingverantwortlicher bei Kathi, berichtet von mehr Aktivitäten zur Steigerung des Exports. Produktneuheiten spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Herzbackform, für die Kathi 2012 den IQ Innovationspreis Mitteldeutschland bekam, ist ein Beispiel dafür. Zudem bring Kathi jedes Jahr neue Produkte in den Handel. Derzeit überzeugen z.B. die Blechkuchen mit sehr guten Absatzzahlen und so gehen Zucker-, Sägespän-, Selters- und Papageienkuchen in die Verlängerung.


Tradition ist auch für den Weinbau an Saale & Unstrut ein Thema. Dieser wurde erstmals 990 urkundlich erwähnt. Nach wie vor beeinflusst er das Image des Burgenlandkreises. Ausgebaut werden vor allem weiße Sorten, doch auch die Rotweine erobern langsam die Lagen an Saale und Unstrut. Die heranwachsende junge Generation von Winzern ist experimentierfreudig, berichtet Dr. Gerald Lange, Geschäftsführer der Winzervereinigung. Trotz Verdoppelung des Anbaugebiets seit 1990 ist bis jetzt nur der Müller-Thurgau deutschlandweit bei Rewe gelistet.

Die familiengeführte Frischli Milchwerke GmbH wird am Produktionsstandort Weißenfels mit Milch von Lieferanten aus 120 km Umkreis versorgt. Die regionale Kostenführerschaft ist für den Erfolg an diesem Produktionsstandort entscheidend, weiß Dieter Gorzki, Weißenfelser Chef. Das stärkste Standbein ist die Produktion von H-Milch. Doch ist Frischli auch als Lohnlieferant für Biomilch aktiv. Zugleich zeigt man mit Leckermäulchen, wie eine Ostmarke erfolgreich wiederbelebt werden kann. 1978 auf der MMM (Messe der Meister von morgen) ausgezeichnet, 1994 per Markenschutz gesichert, wird Leckermäulchen seit 1995 deutschlandweit vertrieben. In einem rückläufigen Markt ist das Dessert (Nummer 2) seit 2006 auf Wachstumskurs.

Firmen brauchen Macher an der Spitze. Doch wusste schon McKinsey, dass jedes Unternehmen neben dem eigentlichen Macher auch einen Visionär braucht. Hier zwei Beispiele aus Sachsen-Anhalt: Die Brauerei Landsberg, angetreten in Zeiten des großen Brauereisterbens, gäbe es ohne die Malzfabrik Landsberg nicht. Die Malzfabrik ist deutschlandweit aktiv. Das Ziel der familiengeführten Brauerei jedoch besteht darin, Biere in der Region mit Veranstaltungen erlebbar zu machen. Produziert wird in und für die Region Halle/Leipzig. Auch das ist ein hoher Anspruch, denn den gilt es mit Leben – mit eigenem Restaurant, Biergarten sowie Veranstaltungen – auszufüllen. Gelistet sind die Biere bei Edeka, Kaufland, Netto, Real und Globus.

Eine Nummer größer geht es die Premium Obst Kontor GmbH (obst.de) an. Sie will der Fleurop-Versand für Obst werden. Es begann mit dem Kauf der Domain obst.de . Danach musste die Webpräsenz nur noch mit der passenden Geschäfts-Idee untermauert werden. Die Produktion von Smoothies, das Ergebnis der beauftragten Marktforschung , wurde jedoch verworfen. Die Gründer entschieden sich für ein Business, dass auf dem australischen Markt bereits Erfolg hatte: obst.de ist die Obstbox für jeden Anlass. Sozusagen das nach eigener Aussage gesündeste Geschenkportal Deutschlands. Geschäftsführer Uwe Martens wusste, dass es eine Ergänzung zu Geschenken wie Blumen, Alkoholika und Süßigkeiten geben muss. Obst.de versteht sich als Anbieter für Privat- und Geschäftskunden. Obst.de ist also kein Produkt zum Listen – doch zum Nachdenken. Denn die Idee kommt jeden Tag ein bisschen besser beim Verbraucher an. Das Business ist auch für Online-Shops und stationäre Händler interessant. Denn wenn der Kunde sich im Obst- und Gemüsegarten seine Äpfel selber eintütet, warum dann nicht auch ein entsprechendes Obst-Präsent. In jedem Fall ist es eine prima Alternative zu (un)geliebten Präsenten.

Zu guter Letzt sei auf die erstklassige Infrastruktur in Sachsen-Anhalt verwiesen. Autobahnen, Bundesstraßen, Bahntrassen, Flughafen und die damit verbundene Ansiedlung vieler Logistikunternehmen sind eine gute Basis für Handelsbeziehungen. Mehr Informationen unter:

Bild: Schloss Hundisburg bei Haldensleben ist eines der bedeutendsten ländlichen Barockschlösser in Sachsen-Anhalt.