Thüringen Interessen bündeln

Die Thüringer Ernährungsbranche geht neue Wege. Es gilt, ausgetreten Pfade zu verlassen: Helfen soll dabei das Cluster Ernährungswirtschaft.

Sonntag, 05. Juni 2011 - Länderreports
Friederike Stahmann
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Osterland - Rote Grütze
Bildquelle: iStockphoto

Inhaltsübersicht

Die Wirtschaft brummt wieder: ob Autos, Solarzellen, Maschinen oder Mess- und Regeltechnik – Produkte made in Thüringen sind gefragt. So gut und so stark, dass im Trendatlas 2011 der Roland Berger Strategy Consultants empfohlen wird, sie zu fördern. Da die Mittel für Wirtschaftsförderungsmaßnahmen zurückgehen (EU-Strukturfonds), soll mit den verfügbaren Ressourcen nicht im Gießkannenprinzip Geld verteilt werden. Andere Finanzierungsmodelle wie beispielsweise revolvierende Fonds rücken zunehmend in den Fokus. Nicht überall, sondern dort, wo jetzt schon etwas wächst, soll es weiter wachsen. Elf Wachstumsfelder nennt das Strategieberatungsunternehmen von A wie Automobil bis U wie umweltfreundliche Energien. Hier sollen die Gelder hin fließen. E wie Ernährungswirtschaft gehört laut Trendatlas nicht zu den Wachstumsbranchen des Freistaates.

Unternehmen aus Thüringen:

Stirnrunzeln macht sich breit: Der Jahresumsatz der Ernährungswirtschaft von mehr als 3 Mrd. Euro kann sich sehen lassen. Damit hat man einen Anteil von rund 13 Prozent am verarbeitenden Gewerbe. Aber man macht nicht nur Umsatz, sondern beschäftigt auch die Menschen in der Region. Mit einem Anteil von 11,7 Prozent ist die Branche, laut Berger-Analyse, die zweistärkste wenn es um die Erwerbstätigen im verarbeitenden Gewerbe geht. Und das nicht erst seit gestern, sondern im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2008. Im Monatsdurchschnitt verdienen rund 14.500 Beschäftigte im Segment Ernährung ihren Lohn. Tendenz steigend. Die Branche verzeichnete sogar im Krisenjahr 2009 ein Beschäftigungswachstum von 1,6 Prozent. Im vergangenen Jahr lief es noch besser. Man konnte gegenüber den Vorjahren 3,8 Prozent mehr Menschen Arbeit geben.

Ja, die Lebensmittelbranche hat Gewicht. Aber: „Bei den grundlegenden, für die Politik wichtigen Indikatoren – wie etwa gute Zuwächse bei der Bruttowertschöpfung – kann die Ernährungswirtschaft in Thüringen noch nicht punkten", sagt Thüringens Agrarminister Jürgen Reinholz. Die Gründe dafür sind vielschichtig: „Die Ernährungsbranche ist die zweitgrößte Industriebranche Thüringens", sagt Reinholz. Ein Treiber für die Thüringer Industrie ist sie aber nicht. Das soll sich ändern. Wie soll dies erreicht werden? Der Minister gibt das Ziel vor: „Angesichts der weltweiten Marktentwicklung führt an einer stärkeren Vernetzung der Unternehmen kein Weg vorbei. Deswegen haben sich das Thüringer Agrarministerium und das Wirtschaftsministerium verständigt, ein gemeinsames Cluster Ernährungswirtschaft zu initiieren."

Es gibt schon eine langjährige, erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Ernährungswirtschaft und dem Thüringer Agrarmarketing bei der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft in Jena. Jedoch können über das Agrarmarketing hinausgehende Aufgaben nicht geleistet werden. Geleistet wird schon viel: Organisation von Verbraucher- und Fachmessen, sowohl auf regionaler, nationaler wie auch internationaler Ebene, Warenbörsen mit dem Handel, Qualitätsprogramme, wie „Geprüfte Qualität"-Thüringen", diverse Marketingprojekte wie etwa Verkostungsaktionen und PR-Arbeit.

Flexible Netzwerke

Für Maßnahmen, die über das Aufgabenspektrum des Agrarmarketings hinausgehen, soll und will die Industrie selbst Verantwortung übernehmen. Ein Cluster soll die Repräsentanz im Land und darüber hinaus stärken. Flexible Netzwerke aus Kompetenzträgern der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die über die Ernährungsbranche Thüringens zusammenfinden, sollen die gemeinsamen Interessen zur Entfaltung der Wettbewerbsfähigkeit vorantreiben.

Die Idee ist geboren, nun geht es an die Umsetzung. Als ersten Schritt lud das Thüringer Agrarmarketing, unterstützt von dem Marketingunternehmen Conomic aus Halle, Ende April zu einem Workshop nach Jena ein. „Wir sehen uns als Anschieber, als Ideengeber in diesem Prozess", definiert Dr. Norbert Stange, Referatsleiter Förderung und Agrarmarketing bei der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, die Rolle des Agrarmarketings bei der Clusterbildung.

Neben den Veranstaltern saßen auch die wichtigen Unternehmer der Branche mit am Tisch: von den Kloßherstellern, über Brauereien und die Süßwarenindustrie bis hin zu den Wurstfabrikanten. Neben einer Darstellung des Konzeptes, einem ersten Feedback aus den Gesprächen mit Unternehmen aus der Thüringer Ernährungswirtschaft im Vorfeld, einem intensiven Blick nach Nordrhein-Westfalen zum dortigen Cluster „Food-Processing Initiative" gab es am Ende eine regen Meinungsaustausch.

Als Schwerpunkte eines „Thüringer Ernährungsclusters" aus Unternehmersicht kristallisierten sich diese Punkte heraus: Vernetzung mit Politik und Wirtschaft, Kommunikation und PR, Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, Information über Trends und Richtlinien, Unterstützung bei der Rekrutierung sowie der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern. „Bei der angestrebten Clustergründung geht es weniger um Absatzförderung, sondern vielmehr um Wissenstransfer, Arbeitskräftequalifizierung und Nachwuchsgewinnung. Für Firmen ist es wichtig, junge Leute im Land zu halten oder ins Land zu bekommen, um qualifizierte Arbeitskräfte in ihren Unternehmen zur Verfügung zu haben", fasst Reinholz zusammen.

Und so kann es werden: Zuerst gilt es einen Trägerverein zu gründen. Einen Verein wie viele in Deutschland, getragen von Ehrenamtlichen. Im zweiten Schritt soll ein Clustermanagement zur Koordinierung verschiedener Angebote an den Trägerverein gebunden werden. Ein hauptberuflicher Netzwerkmanager leistet die praktische Arbeit vor Ort.

Auch über Geld wurde beim Workshop schon gesprochen. Das Netzwerk soll sich zum Teil durch die Wirtschaftsförderung des Landes und zum anderen Teil aus Beiträgen der beteiligten Unternehmen tragen. Für den Spätsommer haben die Verantwortlichen die Gründungsversammlung ins Auge gefasst. Mindestes sieben Unternehmen müssen laut Satzung Gründungsmitglieder des Vereins sein. Dr. Stang sieht darin kein Problem.

Als Mitglied im Verein will man auch weiter mit im Boot sitzen, wenn es um die Stärkung des Agrarmarketings in Thüringen geht. „Wir wollen das Miteinander in der Branche stärken", bringt es Dr. Stang auf den Punkt.

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