Länderreport Schweiz Entscheidung in den Alpen

Die größten Banken der Alpenrepublik haben mit dem Schweizer Lebensmittel-Einzelhandel eine Lösung für das mobile Bezahlen entwickelt. Damit steht US-Gigant Apple gehörig unter Druck.

Mittwoch, 21. September 2016 - Länderreports
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Entscheidung in den Alpen
Bildquelle: Twint AG

Inhaltsübersicht

Während das mobile Bezahlen in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, schreitet die Schweiz mit großen Schritten voran. In der Alpenrepublik fordert jetzt ein Zusammenschluss der großen Banken sowie Migros und Coop mit der Mobile-Payment-Lösung Twint den internationalen Giganten Apple heraus. Ganz gleich wer die Smartphone-Hoheit über die Kassenterminals gewinnt: Durch den starken Wettbewerb ist eine Signalwirkung für die europäischen Nachbarn programmiert. „Die Deutschen können sich ein Beispiel nehmen. Während deren Banken noch herumbasteln, schaffen die Schweizer Fakten“, freut sich Moritz Hunzinger, CEO des Payment Dienstes Cashcloud. Und Lukas Gähwiler, President UBS Switzerland, ergänzt: „Ich bin froh, dass unsere Anstrengungen für innovative digitale Lösungen im Finanzbereich hier zu einem gemeinsamen Ganzen geführt haben.“

Mobile Lösung
  • Die Hälfte aller Coop-Kunden zahlt bargeldlos.
  • Die Migros- App (inklusive Mobile Payment) hat 1,5 Mio. Nutzer.
  • Twint wurde bereits 500.00 mal heruntergeladen.

Ein Zusammenschluss mit einem gemeinsamen Gegner
Twint macht aus dem Smartphone eine digitale Geldbörse, mit der Einkäufe bezahlt oder Geldbeträge zwischen Privatpersonen überwiesen werden, und zwar im gleichen Umfang, wie zuvor Geld auf das Smartphone geladen wurde. Das groß angelegte Joint Venture wird dabei alle bisherigen relevanten Schweizer Einzelangebote im Bereich des Mobile Payment vereinen. So wird beispielsweise Paymit in Twint integriert und der Name vom Markt verschwinden. Gerade in dieser Konzentration und Bündelung der Kräfte sehen Marktbeobachter die Vorteile. Auch wenn die Umsetzung der gemeinsamen Lösung noch der Zustimmung der zuständigen Wettbewerbsbehörden bedarf, so hoffen die Initiatoren darauf, Apple in der Alpenregion die Stirn bieten zu können. Das Mobile-Payment-Angebot des US-Giganten wurde bereits am 7. Juli in der Schweiz gestartet, ein symbolisches Datum, denn neben den USA, Großbritannien, Kanada, Australien, China und Singapur ist nun die Schweiz als siebtes Land an der Reihe. Damit kam Apple der eigenen Lösung der Eidgenossen zuvor. Die neue Version des Wettbewerbers Twint sollte ursprünglich im Herbst lanciert werden, wird sich jetzt aber nach Informationen der Schweizer Handelszeitung weiter verschieben.

Händler haben Vertrauen in die Schweizer Lösung
Trotzdem zeigt die Teilnahme der größten Lebensmittel-Einzelhändler Coop und Migros, dass Twint eine reale Chance gegen die US-Konkurrenz haben könnte. „Wir sind überzeugt, dass Twint den Schweizer Markt mit seinen Besonderheiten gut versteht und den Konsumenten und uns einen Mehrwert bietet“, ist Coop-Sprecherin Nadja Ruch überzeugt. Apple wiederum kann die beiden Discounter Aldi Suisse, Lidl sowie Spar zu seinen Partnern zählen. Wie auch immer der Kampf ausgehen wird: Der Wettbewerb dürfte das mobile Bezahlen in der Schweiz und Europa erheblich nach vorne bringen.

„Die Schweiz ist ein gutes Beispiel dafür, wie Mobile Payment funktioniert: Es braucht Bezahllösungen, die auf allen Geräten und überall einsetzbar sind, verschiedene Funktionen beinhalten und den Nutzern klar erkennbare Mehrwerte bieten. Insellösungen wie die von Apple Pay haben keine Chance auf Erfolg“, sagt Moritz Hunzinger von Cashcloud, der auf den NFC-Chip von Apple anspielt. Mit dieser Technologie schottet sich der US-Konzern vor Wettbewerbern ab. Dies sei laut Hunzinger eine Haltung, mit der die weitere Verbreitung des mobilen Bezahlens bisher verhindert wurde. Außerdem funktioniert Apple Pay nur auf Apple-Geräten und schließt damit unter anderem die Gruppe von Samsung-Nutzern aus.

Twint setzt hingegen auf die Bluetooth-Technologie. Diese ist zwar unabhängig von Apple einsetzbar, hat aber einen Nachteil: Der Standard ist an vielen Kassen nicht verbreitet, Terminals müssen neu beschafft oder aufgerüstet werden. Außerdem sollten Kunden Bluetooth aus Sicherheitsgründen ausgeschaltet lassen und nur für das Bezahlen einschalten.

Warum gerade in der Schweiz diese Dynamik auf dem Mobile-Payment-Markt zunimmt, liegt offensichtlich an einer höheren Bereitschaft der Kunden, mit dem Smartphone zu bezahlen. So spricht Thierry Kneissler, CEO der Twint AG, von 500.000 App-Downloads und „mehreren 100.000 registrierten Nutzern“ (siehe Interview S. 63). Nadja Ruch von Coop gibt zwar zu bedenken, dass genaue Zahlen schwierig zu ermitteln seien, gleichzeitig glaubt sie aber an weiteres Entwicklungspotenzial.