Spannende Frage Braucht die Branche Patente auf Lebensmittel?

Beim Europäischen Patentamt sind bis Ende 2011 etwa 1.900 Pflanzen- und 1.100 Tierpatente erteilt worden. Na und?

Donnerstag, 01. November 2012 - Hersteller
Reiner Mihr
Artikelbild Braucht die Branche Patente auf Lebensmittel?
Bildquelle: privat

Patente gibt es auf eine gentechnisch veränderte Sojabohne, auf eine seit Jahrhunderten in Südamerika heimische Bohnensorte, auf konventionellen Broccoli sowie bei einem Verfahren zur Auswahl von Milchkühen.

Hat das Folgen für Produktion, Verkauf und Konsum von Lebensmitteln? Fragen an Dr. Ruth Tippe. Sie ist Gründerin der Gen-ethischen Stiftung und in vielen weiteren Organisationen (u. a. auch in der IG Für Gesunde Lebensmittel) engagiert.

Frau Dr. Tippe, was ist so bedrohlich an Patenten auf Lebensmitteln?
Dr. Tippe: Lebensmittel braucht jeder Mensch zum Leben! Es gibt ein Lebensrecht auf Nahrung! Ein Patentmonopol darf es deshalb auf Nahrungsmittel nicht geben.

Wenn ein Unternehmen Saatgut durch technologische Verfahren verändert und die Pflanze dadurch resistent gegen Schädlinge oder widerstandsfähiger bei Trockenheit wird – ist das doch auch ein Vorteil für den Erzeuger ….
Beispiel Schädlingsresistenz: Es geht hier vor allem um Mais, der unempfindlich ist gegen den Maisstängelbohrer, zum Teil auch gegen den Maiswurzelbohrer. Der Mais, der so gentechnisch verändert wurde, enthält toxische Proteine von Bakterien, die den Schädling töten. Wie wirkt dieses Gift auf Bodenorganismen, auf Kühe? Langfristige Fütterungsversuche fehlen. Beispiel Trockenresistenz: Es gibt noch Sorten aus konventioneller Zucht, die viel resistenter sind. Ist diese Technik also wirklich so innovativ? Ich glaube, es geht nur um Beherrschung von Saatgut, einem Gut, das jeder braucht, der Landwirt zum Anbau, der Verbraucher als Nahrung.

Wie ist es möglich, dass auch ganz normale gezüchtete Produkte wie Broccoli patentiert werden können?
Einerseits formuliert der Patentanmelder seine „Erfindung“ möglichst technisch und behauptet, seine Erfindung sei erfinderisch. Andererseits bewilligt des Patentamt gerne alles, was nicht ganz eindeutig den Ausnahmen der Patentierung widerspricht. Ein Monopol für 20 Jahre ist sehr interessant! Das Brokkoli-Patent ist patentrechtlich widersprüchlich, hätte niemals erteilt werden dürfen, wie auch sehr viele andere, ähnliche Patente!

Betrifft das eigentlich auch direkt deutsche Bauern, Händler und Verbraucher?
Wir wissen davon, dass inzwischen Sonnenblumenzüchter durch Patente behindert werden. Der patentierte Brokkoli ist in England bereits auf den Markt. Wir vermuten, dass Syngenta auch in Deutschland patentierte Melonen verkauft. Das wird in den nächsten Jahren noch deutlich zunehmen. Allerdings sind momentan keine gentechnisch-veränderten Pflanzen zum Anbau in Deutschland zugelassen, und importierte Produkte werden auch nicht bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet.

Somit regelt doch der Markt, was gekauft wird und was nicht ...
Da bin ich nicht sicher! Es kommt zum Beispiel auf die Werbung an. Wieder der Fall Brokkoli: Er ist in den USA auf dem Markt und seit etwa einem Jahr auch in Großbritannien bei der Supermarktkette Marks & Spencer. Dieser Brokkoli wird als „Broccoli Beneforte“ verkauft, als „super gesund, ganz ohne Gentechnik“, Monsanto hat die Lizenz zur Vermarktung. Dieser Brokkoli enthält einen höheren Gehalt an Glucosinolaten. Diese sollen wirksam bei der Vorbeugung von Krebs sein. Aber alle Kohlsorten enthalten solche Glucosinolate. Ist dieser Brokkoli nun wirklich hilfreich? Auch wenn der Verbraucher ausweichen will, hat er eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er wieder bei Monsanto landet: Der US-Konzern hat inzwischen die wichtigsten Saatguterzeuger beim Gemüse wie Seminis und DeRuiter aufgekauft.

Sie plädieren sicher für einen Stopp dieser Entwicklung. Aber ist sie realistisch aufzuhalten? Und wie soll sich zum Beispiel ein Lebensmittelhändler verhalten?
Ja, wir fordern, dass die Patentierung von Pflanzen und Tieren gestoppt wird. Bundestag und Europäisches Parlament unterstützen inzwischen viele unserer Forderungen. Die Lebensmittelhändler müssen bei ihren Lieferanten nachfragen, Transparenz schaffen. Die Informationen müssen an die Verbraucher und Verbraucherinnen weitergegeben werden. Und der Handel sollte seine Lieferanten anweisen, kein patentiertes Saatgut einzusetzen.

Bild: Dr. Ruth Tipp von der Gen-ethischen Stiftung.
 

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