Krisenkommunikation „Die Firmen haben richtig reagiert“

Wie wichtig Krisenkommunikation in der Corona-Pandemie ist, erläutert Frank Schroedter (Foto), Vorstand der Kommunikationsagentur Engel & Zimmermann, an einem aktuellem Beispiel.

Donnerstag, 09. April 2020 - Corona Update
Jens Hertling
Artikelbild „Die Firmen haben richtig reagiert“
Bildquelle: Markus Goetzfried

In ihrer jüngsten Ausgabe hatte die „Welt am Sonntag“ unter der Überschrift „Jetzt verweigern sogar die Profiteure die Miete“ geschrieben, dass nun auch Lebensmittelhändler ihre Mietzahlungen reduzieren würden. Als Beispiele hatte die Zeitung Edeka Nord und Hit genannt. Nun haben beide Handelsunternehmen darauf reagiert: Edeka Nord hat dementiert. Bei Hit heißt es, es würde ein falscher Eindruck erweckt. Haben jetzt beide Firmen einen Imageschaden?

Da bleibt kein Imageschaden. Die Firmen haben den Sachverhalt zügig richtig gestellt und den Schaden damit sofort begrenzt.

Wenn ein Handelsunternehmen die Miete stunden will, wie sollten die Parteien dies kommunizieren?

Es handelt sich um ein Branchenthema, denn bis auf den LEH ist praktisch die komplette stationäre Handelslandschaft betroffen. Bei Branchenthemen ist deshalb die Branchenkommunikation gefragt und nicht die Unternehmenskommunikation. Hier sollten die Branchenverbände die Kommunikation übernehmen. Darüber kann ich ein Thema wie „Stundung und was ist in der Krise erlaubt“ kommunizieren.

Generell geht es bei der Krisenkommunikation nicht nur um die Fakten, sondern auch um deren moralische Bewertung durch die Öffentlichkeit.

Wie wichtig ist dann auch das direkte persönliche Gespräch zwischen Vermieter und Mieter?

In dieser Krise, die auch eine wirtschaftliche ist, und bei einem so emotionsaufgeladenen Thema wie Mietzahlungen, sollte immer ein direktes Gespräch zwischen den Parteien zustande kommen – und zwar bevor formaljuristisch korrekt – offizielle Schreiben verschickt werden. Sie gelangen häufig an die Öffentlichkeit oder geben Anlass zu Spekulationen. Hier zeigt sich der Wert einer gut gemachten Kommunikation, die voraus denkt. Und die Belastbarkeit einer Geschäftsbeziehung.

Der Sportartikelhersteller Adidas hat einen Fehler gemacht, indem er ohne große Not Mietzahlungen aussetzte. Welchen Imageschaden kann das nach sich ziehen?

Adidas ist eine globale Sportmarke, die neben Leidenschaft auch für Sportgeist, Integrität und Fairness steht und damit auch wirbt. Die Fallhöhe ist daher hoch. Die Ankündigung, wegen der Corona-Krise Mietzahlungen für die Geschäfte auszusetzen, war ein großer kommunikativer Fehltritt. Das wird Adidas noch viele Jahre verfolgen. Marken wie Adidas funktionieren über Emotionalisierung und Selbstinszenierung. Jetzt erlebt Adidas das Gegenteil: negative Emotionalisierung, zum Beispiel durch Boykott-Posts, kritische Äußerungen eines Bundesministers und von mehreren Politikern, inklusive T-Shirt-Verbrennung, und nicht zuletzt breiter negativer Berichterstattung, sogar mit kritischem Kommentar in den Tagesthemen. Das ist für eine solche Marke ein Worst-Case. Deshalb kann man von einem veritablen Imageschaden sprechen.

Was kann die Geschäftsführung von Adidas dagegen tun?

Die erste Reaktion der Unternehmensführung war, dass sie sagten, dass sie missverstanden wurde. Diese Reaktion halte ich für zweifelhaft. Adidas ist nicht von der Politik missverstanden wurden. Ein Unternehmen wie Adidas setzt andere moralische Maßstäbe an als der Sportartikelladen um die Ecke. Aus Beratersicht war diese erste Reaktion erstmal zweifelhaft. Danach folgte der öffentliche Entschuldigungsbrief – begleitet von ganzseitigen Anzeigen. Das ist dann Krisenkommunikation nach Lehrbuch.

Wie lange dauert es, bevor der Schaden behoben ist?

Dieser Imageschaden wird jetzt für längere Zeit an Adidas haften.

Was kostet denn so eine Imageschaden die Firmen?

Das ist schwer zu bemessen. Reagieren Konsumenten in Deutschland, den USA oder in Asien wirklich mit einem Boykott? Öffentliche Boykottaufrufe allein richten sehr wenig Schaden an. Ich glaube auch bei diesem Fall nicht, dass es kein großer ökonomischer Schaden bleibt und die Adidas-Aktie deshalb an Wert einbüßt. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, wo ein Boykottaufruf einen schweren ökonomischen Schaden nach sich zog.

Wie erleben Sie als Kommunikationsfirma die Corona-Krise?

Wir kommen aus der Lebensmittelwirtschaft und haben alle erdenklichen Krisen in den vergangenen Jahren erlebt. Die Corona-Krise ist sicherlich eine Sondersituation. Die Themen unserer Kunden sind Verdachtsfälle, erkrankte Mitarbeiter, Probleme in den Lieferketten oder Werbung zum falschen Moment. Und nicht zuletzt: die richtige und angemessene Kommunikation nach innen und außen. Für uns als krisenerprobte Akteure ist das zum einen Routine und zum anderen auch eine Sondersituation, weil viele unserer Kunden parallel betroffen sind und das hohe Anforderungen an unser Team stellt. Im Moment ist es auch keine kommunikative Krise mehr, sonders es ist eine wirtschaftliche Krise.

Wie wichtig ist Krisenkommunikation in diesen Zeiten?

Die Pandemie betrifft jede Person und jedes Unternehmen ausnahmelos. Die Anforderungen an eine Kommunikation sind in diesen Extremzeiten enorm hoch. In der Krisenkommunikation ist immer höchstes Gebot, die Kommunikationshoheit zu behalten, und die behalte ich dann, wenn ich mir frühzeitig Gedanken mache, wie sich eine Krise auf mich auswirken kann. Die beste Krisenkommunikation ist Krisenprävention. Unternehmen, die sich gewisse Szenarien überlegt haben, schaffen es leichter, Krisen zu bewältigen. Sie werden in der konkreten Krise nicht eiskalt erwischt, das hat sich in den letzten Jahren immer wieder bewahrheitet.

In der Corona-Krise haben es Unternehmen leichter, die über eine funktionierende Kriseninfrastruktur verfügen. Auch hier gilt der Grundsatz: Krisenkommunikation bringt Zeitersparnis. Wenn man, wie die meisten Unternehmen, jedoch bei Null anfangen muss, wird das Krisenmanagement deutlich anspruchsvoller, weil eben die Kriseninfrastruktur fehlt.

Die Vertreter der Industrie halten sich im Moment eher zurück. Welche Ursachen hat das?

Das Besondere an der Coronakrise ist, dass niemand voraussagen kann, wie sich die Situation in den kommenden Wochen entwickelt. Das sieht man auch daran, dass selbst die Bundespolitik und Mediziner keine Prognosen wagen. Daher tun Unternehmen gut daran, sich jetzt mit der Kommunikation nach außen zurückzuhalten. Auch diejenigen, die momentan wenig betroffen scheinen, verhalten sich still, weil sie nicht als Profiteure der Krise abgestraft werden sollen. Darüber hinaus darf man nicht vergessen: Fast alle Unternehmen sind aktuell extrem ins Krisenmanagement eingespannt und erkennen, dass die Kommunikation nach innen, also zu den eigenen Mitarbeitern, im Moment Vorrang hat. Das tun übrigens viele unserer Kunden auch sehr gut.

Dafür ist der Handel öfter im Gespräch.....

Ja. Er hat in dieser Krise – in der die Gastronomie praktisch so gut wie ausgeschaltet ist – eine der wichtigsten Funktionen: die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln.